Wieviel November braucht eigentlich so ein Jahr? Und wieviel verträgt es?
So richtig schön grau lädt er ein, die schönste Depression des Jahres in vollen Zügen zu inhalieren. Dazu wird, jedenfalls bei mir zuhause, lieblich fauliger Geruch nach verwesendem Obst, Laub und wer weiß was noch gegeben. Die Bäume sind, entgegen meiner vor einem Monat ausgesprochenen Unkerei, noch erstaunlich dicht belaubt, in feinsten Farben, fein grau bedämmert.
Überhaupt Dämmerung: morgens verläßt man in der Dämmerung das Haus, über Tag erlebt man sie in der Fabrik und abends hechelt man ihr hinterher, um noch vor ihrem Ende zuhause zu sein, damit man noch den Karniggelstall ausmisten kann.
Es dämmern die Sehnsüchte, wenn sie nicht gerade aufflackern, Erinnerungen an einst liebgehabtes aber endgültig vergangenes wabern durch den Erlebnishorizont und schwappen stetig über die Gefühlsschwelle hin und zurück.
Was aber wäre all das ohne eine ordentliche Portion Selbstzweifel, Hadern mit dem eigenen Sosein, dem gemeinhinen Tun und noch mehr dem Lassen. Dem Photographieren habe ich mich verschrieben und eifere nun und eifere, produziere blödsinnige Bilder- und also Datenmengen, deren Sichtung und sinnvolle Bewertung und Sortierung ich nicht mehr schaffe. Alles ist schon einmal photographiert worden, aber nicht von mir… Und als ob das noch nicht reichte, wiederhole ich eigenes, selbst schon geschossenes, vielleicht um es noch einmal besser zu machen, oft aber auch einfach nur, weil ich es kann.
Beim Durchpflügen der kaum noch überschaubaren Massenbebilderung des Internets immer wieder die Frage: wozu das eigentlich? Warum machen die das? Warum mache ich das? Wer hat etwas davon und was könnte es bewirken?
Bei gar zu vielen eigentlich gänzlich inhaltslosen Bildern, gegenständlich zwar vielleicht, aber bedeutungslos, technisch jedoch perfekt und mit scheinbar genialem Postprocessing so aufgepeppt, daß es knallig wirkt: Stills von Autos, Katzen, Fensterläden, Fassaden aller Art, Maschinen und natürlich Meer, Sonnenuntergang, Baum und Blume, immer und immer wieder neu und immer und immer wieder gleich.
Eben wegen der inzwischen absoluten Beliebigkeit fast all dieser Bilder muß man tief in die Trickkiste greifen, um überhaupt noch wahrgenommen und vielleicht wenigstens ein bißchen polarisieren zu können. HDR, DRI, Wahnsinnskontraste, übersättigte Farben, grelle Weitwinkel- oder Tele-Perspektiven, selektive und willkürliche Schärfeebenen und so weiter.
Man kennt das. Ich mache das auch so.
Aber warum? Nur weil ich es kann? Oder gern können würde?
Als Student vor vielen Jahren geriet ich in so manches zu Beginn heillos überfüllte Seminar. Da saß man mit 150 Leuten auf einem Haufen, kein Gedanke auch nur an den Ansatz einer sinnvollen Diskussion – und die Dozenten waren dann regelmäßig so frei zu sagen, es möge doch bitte die Hälfte der Leute einfach mal freiwillig wieder gehen. Man werde das Seminar im nächsten Semester genau so wieder anbieten…
(Nein, natürlich funktionierte das nicht!)
Ich will nicht aufhören, ich will auch nicht einfach rumlamentieren. Vielmehr versuche ich eine tragfähige Position zu finden, von der aus es weiter gehen kann. Eine wichtige Änderung wird sein müssen, mich zu beschränken: nicht mehr gnadenlos alles knipsen nur, weil ich es kann. Mich beschränken konzentrieren auf Bilder, die eine verständliche Aussage transportieren, die erkennbar von mir kommt. An dieser Stelle weiter denken.