Die Aigner und der de Maizière wollen uns beschützen vor bösen Gesichtserkennungsdiensten. Ist das nicht nett? Gerade haben wir erfolgreich durchgesetzt, daß google streetview uns nicht durchs Wohnzimmerfenster gucken darf und, was es da sieht, im Internet erfahrbar macht. Wir dürfen virtuelle Verpixelungsvorhänge zuziehen.
Als nächstes müssen wir verhindern, daß Leute uns mit ihrem Telefon auf der Straße photographieren, um dann direkt bei google-face-detection nachgucken zu können, wer wir sind.
Gesichtserkennungssoftware ist ja nichts neues, man macht sich nur selten wirklich klar, was damit eigentlich möglich ist. Picasa oder Photoshop Elements (u.v.a.) können längst Gesichter wiedererkennen. Und wenn diese Einsteigerprogramme das schon recht zuverlässig hinbekommen, wieviel mehr dann erst professionell eingesetzte bei Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten. Überall stehen Videokameras, die uns pausenlos dabei filmen, wie wir auf die U-Bahn warten, wie wir die Fußgängerzone entlang latschen, wie wir irgendwelche öffentlichen oder auch „wichtigen“ privaten Gebäude betreten. Wie wir am Geldautomaten Geld abheben oder irgendwo auf der Autobahn fahren. Und wer an Demos z.B. gegen Castor-Transporte teilnimmt, wird von an Drohnen befestigten fliegenden Kameras erkennungsdienstlich behandelt.
Wahrscheinlich ist es bislang eher noch ein Problem der irrsinnigen Datenmenge. All die Grillionen Gesichter, denen Namen zugeordnet und die dann benamst in Datenbanken mit Daten und Orten gespeichert werden müssen. Aber dank google’scher Suchalgorithmen ist es sicher kein ernstes Problem, dieser Datenmengen Herr zu werden.
Wenn die das aber dürfen, die Polizei und der BND, die CIA und NSA und wie sie alle heißen, warum muß dann der Bürger auf der Straße vor seiner Mitbürgerin beschützt werden? Und wenn wir sowieso alle (oder fast alle) in ipernity, auf flickr und erst recht auf facebook und twitter pausenlos vor uns hin brabbeln, wo wir gerade sind und was wir gerade tun, warum ist es dann plötzllich „gruselig“, wenn Erich Mustermann, der uns auf der Straße begegnet, in seinem Handy mal kurz nachgucken kann, wer ich bin, der ihm da gerade begegnet ist und so mürrisch geguckt hat? Vielleicht lehne ich mich eh an die nächste Hausecke, hole mein Eifon raus und vermerke in facebook, daß mir gerade Erich Mustermann begegnet ist und mich mit seinem Handy geknipst hat und daß ich deswegen jetzt schlechte Laune habe. Und er findet nach erfolgreicher Gesichtserkennung meinen facebook-Account und meinen jüngsten Eintrag. Gibt es dann eine virtuelle Rückkopplung? Oder gehen wir beide ein paar Schritte zurück, aufeinander zu, schütteln uns die Hände und versprechen uns, uns gegenseitig als Freunde zu adden?
Wer gern stalkt, dem stehen bei den bereits vorhandenen Diensten schon unendliche Welten offen, er hat nur die Qual der Wahl, wo er anfangen soll. Die Gesichtserkennung nun wieder mal als besonders gruselig herauszupicken, wird bestenfalls dazu führen, daß street-Photographie endgültig unmöglich wird, weil jeder gleich denken wird, man wolle ihn ausspionieren. So wie mich schon zahlreiche Hausbesitzer ziemlich seltsam angequatscht haben, weil ich ihre Fassaden auf meine Bilder aufgenommen habe.
Die Regierung möchte die öffentliche Gesichtserkennung offenbar doch lieber ausschließlich im staatlichen Gewaltmonopol wissen, alles andere ist zu gruselig.
Und wir – je mehr wir von uns zeigen, desto weniger wollen wir gesehen werden.