Nasse Luft

Seit 2 oder 3 Tagen taut es heftig. Die meisten Straßen und Wege sind auch wieder mit dem Rad zu befahren, was das Leben wieder einfacher macht. Damit einher geht eine unglaubliche Nässe allüberall. Gestern Abend schien alles zu dampfen, ähnlich wie Nebel und doch anders.
Heute Morgen hängen die Kirchturmspitzen in den Wolken, ebenso oberes Geismar und der Hainberg. Die Welt ist dunkelgrau mit einem ganz leichten Hang zum Blaugrau. Es wird kaum hell.
Aber wenn man gelaufen ist und die Endorphine sich im Körper verteilen, ist es deutlich weniger bedrückend als sonst, man ist sogar beinahe geneigt, es gemütlich oder romantisch zu finden.

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An der Frostbar

Schnee, so ganz in weiß, wird ja einfach gern genommen. Je dichter die Flocken, desto froher das Locken. Winteridylle ist wie noch mal an den Weihnachtsmann glauben dürfen.
Allein, es bleibt ja nicht so.
Nur wenige Tage, auf den großen Straßen sogar nur Stunden, dann überlebt nur das Braun, der Schmutz, der Matsch, der Ekel.
Erstaunlich, wie die Leute an den Haltestellen stehen, Dieseldunst atmen und sich dem Frieren hingeben. Anstatt einfach selbst die Füße zu bewegen, die paar Schritte – wenigstens bis zur nächsten Haltestelle – zu gehen und dabei warm zu werden und die Umgebung zu wechseln.
Erstaunlich auch, wie rücksichtslos und nur am Recht des Stärkeren orientiert alle miteinander verkehren. Autofahrer preschen auf Einmündungen zu Vorfahrtsstraßen zu, als seien Radfahrer minderwertige Leben. Radfahrer klingeln Gehbehinderte oder Kinderwagen Schiebende von den schneebefreiten Teilen der Gehwege, weil sie nur dort selbst halbwegs sicher fahren können. Und Fußgänger bleiben gern in Gruppen über das Wetter kakelnd gerade dort stehen, wo sie die meisten anderen behindern. Und alle warten scheinbar nur darauf angefratzt zu werden, damit sie volles Rohr zurück keifen können.
Schlechte Laune und Griesgrämigkeit brauchen gar keinen besonderen Grund, aber sie finden immer einen.

seine Pezeh-Dinoheit erinnert sich

Beim Aufräumen fällt ihm ein Buch in die Hand: “Datenbank-Entwicklung mit dBase III plus”, ein Grundlagen-Handbuch von 1987. Ein seltsamer Moment der Rührung steigt auf. Auf seinem ersten PC, damals einem 286er mit 12 Megahertz, 1 Megabyte Ram und 20 Megabyte-Festplatte, lernte er neben Word 3 und Quattro Pro (Tabellenkalkulation) auch dBase, ein sehr simples, aber extrem lange lauffähiges, ja theoretisch noch immer nutzbares Programm, dessen Daten man charmanterweise auch zum Beispiel im Norton Commander durchblättern und lesen konnte.
Der Norton-Commander, den der eine oder andere vielleicht noch aufgrund seiner charakteristischen Blau-Grün-Farbgebung in Erinnerung hat, sah auch auf dem bernsteinfarbenen Hercules-Monitor schon schick aus und würde noch heute jedes Rennen mit dem Windows-Explorer gewinnen.
Mit dem Buch lernte er, wie man eine relationale Datenbank aufbaut, Redundanzen vermeidet (die man heute an anderer Stelle gern wieder einbaut, als Backup), wie man Schlüsselfelder vorgibt, um Standardisierung statt Chaos durch Vielfalt zu erreichen – und vieles mehr, was weitgehend bis heute Gültigkeit hat und was einem als Blogger mit WordPress (z.B. Tags!) noch immer wichtig ist.
Mit einer nur noch mühsam übersehbaren Anzahl an Betriebssystemen, Datenbankprogrammen und Programmiersprachen hat er sich in den letzten 20 Jahren vertraut gemacht, aber auch hier ist es so, daß man die, mit denen man sein erstes Mal erlebte, nicht vergißt.

Knackende Kälte

Bei -17,5° auf gut 12cm hohem Schnee durch mondbeschienene Landschaft laufen.
Schwer zu toppen.

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Baumsuche, reloaded

Am Mittag des Sylvestertages ging der Regen in Göttingen allmählich in Schnee über und blieb liegen. Abends war bereits alles weiß. Seit dem 2. Januar liegen Stadt und Land unter etwa 13 – 15 cm Schnee.
Schon Anfang letzten Jahres kam ich auf einer Fahrt durch’s Leinetal nicht nur auf die Idee sondern vor allem auf den Geschmack Bäume im Schnee zu photographieren. Einzelne, herausragende oder besonders Bäume.
Was mir im Feburar 2009 schon ansatzweise gelungen war, wollte ich heute noch einmal versuchen. Mit Herrn T ging es dafür auf Tour durch die südniedersächsische Toskana.
Es war sehr stimmungsvoll und so tief und schön verschneit, daß man stellenweise nicht mehr sehen konnte, wo die Straße entlang führt. Wären da nicht die Straßenrandanzeigestiele gewesen…

Aber Bäume, wie ich sie eigentlich suchte, fanden wir nicht. Nicht so ganz jedenfalls.
So geht es mir meistens, wenn ich etwas im Kopf habe, ein Motiv, schon geradezu plastisch vor Augen, auch Ideen, wo ich es finden könnte – die Umsetzung konkret vor Ort gestaltet sich fast immer ungeahnt schwierig.
Aber ich bleibe dran. Ich finde das Thema sehr inspirierend und werde es sicher immer wieder aufgreifen.

Photo-Kalender

Dieses Jahr gibt es mal nicht nur die seit vielen Jahren üblichen Kinderbilder-Kalender für die Familie, sondern auch einen öffentlichen Photo-Kalender für Freunde und alle, die meine Bilder mögen.
Und wegen der anhaltend großen Resonanz auf mein Berlin-Photoblog gibt es als Premiere einen Kalender mit Berlin-Photos.
ws-morninglove
Der Berlin guide Kalender 2010.

Gedenktag

Neunter November. Zwanzig Jahre ist es also nun her. Das historische Ereignis, bei dem die meisten Mitglieder meiner Generation wissen, was sie an dem Tag gemacht haben. Ich kann mich nicht so explizit dran erinnern. Ähnlich wie Herr Küppersbusch habe ich diesen Tag wohl verpennt. Wie auch die folgenden.
All diese Aufregung damals. Mir war das höchst suspekt. Das Wort „Wiedervereinigung“ allein schon konnte ich nicht aussprechen, ohne übel Sodbrennen zu bekommen. Es war einfach zu sehr von den Rechten und anderen reaktionären Kräften besetzt. Und von diesem Herrn Kohl natürlich. Und Genschman. Also indiskutabel.
1989
Was paradox war, weil wir Gorbi und Schewardnadse auf der andern Seite wirklich cool und sympathisch fanden.
Zugleich verharrte ich – nicht nur durch gewisse Durststrecken der eigenen Biographie – in so einem seltsamen Zustand der Lähmung. Ich wollte es nicht wahrhaben. Vielleicht. Und selbst wenn, was ging es mich an! Damals. Ich kannte keinen Bürger der DDR persönlich, hatte seit 1972 lediglich auf der Transitstrecke nach Berlin unfreiwillige Blicke in dieses immer graue und verwahrlost wirkende Land geworfen und lebte eigentlich mit der Vorstellung, daß die bewohnbare Welt etwa 20 km südöstlich von Göttingen aufhöre, ganz gut. Im Zonenrandgebiet zu wohnen hatte Charme. Es gab Strukturförderung, was zugleich bedeutete, daß es eigentlich keine Struktur gab, keine großen Wirtschaftsbetriebe, kaum durchreisenden Verkehr, wenig Aufsehen. Und daß hinter dem großen Zaun die Landkarte ausgegraut war, schaffte Behaglichkeit. Man mußte dort nicht weiterdenken.

Aus sicherer Entfernung und von hoher Warte den endlosen Trabbi-Schlangen zuzuschauen, die über den Grenzübergang Teistungen im Eichsfeld gen goldenen Westen tuckerten, um nach Abholung des Begrüßungsgeldes die Bananenbestände unserer Lebensmittelläden leerzukaufen, das war einfach nur surreal. Wie in einem abgedrehten Science-Fiction von Monty Python. Auch unsere erste Fahrt in den Nahen Osten, im geschlossenen PKW einreisend, mit mulmigem Gefühl den Reisepass den Grenzern entgegenhaltend, die gar nicht mehr stempelten, sondern nur noch durchwinkten. Winkten wie die Dorfbewohner im Eichsfeld, all die Kinder, die Girlanden über den Straßen („Willkommen Nachbarn!“), mitten im tiefsten und scheußlichsten Spätherbst. Zu Nieselregen (wie heute) und Braunkohlenheizungsausdünstungen. Als wir in Heiligenstadt ausstiegen und ein paar Schritte durch die graue Fußgängerzone machten, atmeten wir diese Gerüche ein, nahmen diese seltsame Stille wahr, diesen Stillstand in den Schaufenstern, der an Spielfilme aus der frühen Nachkriegszeit erinnerte, und fühlten uns buchstäblich wie nie zuvor im Leben. Seltsam berührt, angezogen von der Vorstellung, in eine Zeitmaschine geraten zu sei, und zugleich ratloser denn je. Es war ja total nett, daß die Bewohner der DDR uns als Nachbarn begrüßten. Aber was dann? Was sollte daraus werden?

Heute verspüre ich eine ähnlich Hemmung mich groß zu regen wie damals vor 20 Jahren.
Wie soll man sich auch äußern, wenn das kollektive Gedenken durch multimedialen Overflow in Bahnen gehypet wird, vor denen man sich sich erst mal nur in Sicherheit bringen will. Denke ich vielleicht, weil ich heute genauso wenig drin vorkomme wie 1989. Mit der Geschichte, die dort gemacht wurde und seitdem gemacht wird, wollte ich nie etwas zu tun haben. Sie ist nie meine geworden.
Oder doch?

Im Laufe der Zeit habe ich durch Freundschaften mit OstbewohnerInnen und durch Reisen einen anderen Zugang zu Deutschland und zum Osten errungen. Eine Entwicklung hin zu einem Zustand, den ich persönlich positiv nennen möchte.
Ich bin gelegentlich in Ostberlin gewesen, in Heiligenstadt, Mühlhausen, Erfurt, Gotha, Leipzig oder Dresden, auf Rügen oder im Spreewald. An einigen dieser Orte fingen persönliche Geschichten an, zu denen ich mir sofort Fortsetzungen wünschte.
Die Mauer in meinem Kopf ist nicht weg, so gar nicht, aber sie ist von einer Weltgrenze zu einer Brücke mutiert.

Juli Zeh und Slut

Das Warten in den langen Schlange davor von etwa viertel vor neun bis viertel nach, das war etwas grenzwertig. Denn das Konzert sollte um neun anfangen.
Genauer gesagt: die Schallnovelle. Die war dann aber sofort so fesselnd und so gut, daß man gleich bereit war, diesen Nerv zu vergessen.
Juli Zeh war sowohl inhaltlich als auch persönlich einfach überzeugend und sympathisch.
Und Slut machte richtig gute, avandgardistische und faszinierend experimentelle Musik, ohne gar zu verkopft daher zu kommen. Es war auch viel für’s Gefühl dabei.
Hinterher mußte ich mir einfach noch ein Autogramm von Frau Zeh holen, ihr ein Kompliment machen und mir von ihr dafür ein persönliches Lächeln abholen. Das tat außerordentlich gut.
Daß die Gattin es auch toll fand, war das beste. Wir verstanden uns dabei.

Ballett-Wochenende

Es war mal wieder soweit: die große ASC-Tanzgala. Weil die Gattin zeitgleich eine Fortbildung hatte, bekam ich die volle Dröhnung. Begann schon mit L’s Hiphop-Auftritt als Höhepunkt und Abschluß der Schultanzwoche am Freitag-Nachmittag in der IGS. Sie hat das ganz toll gemacht, aber es gab auch gleich ein Riesenproblem hinterher: denn sie hat ihren Ballett-Beutel dort liegengelassen und ist hinterher nicht mehr dran gekommen. Ein Unglück, an dem wieder einmal der übergründliche Hausmeister Herr P ziemlich schuld war. Denn in dem Beutel waren ihre Schuhe und ihre Strumpfhose für den samstäglichen Auftritt. Es gab einige Tränen, Aufregung, Hinundhertelefonieren, bis wir dann von Frau Nachbarin erstmal provisorischen Ersatz bekamen. Zum Glück. Und dann schlief auch noch Freundin K bei uns.
Am Samstag verbrachte ich die Zeit von 14 bis 22:30 mit Hin- und Herfahren und Ballettgucken im ASC. War viel Tolles dabei, aber auch viel Ödes, vor allem der entsetzliche Polka-Opa und die Linedance-Tanten. Wer will sowas im Ernst angucken, wenn es alternativ graziöses Ballett junger Mädchen zu bestaunen gibt?!
Schön, wirklich sehr, war aber, wie sehr die beiden Mädels in diesem Ballett aufgehen, wieviel Spaß ihnen das macht und wieviel Selbstbewußtsein es ihnen gibt. Das freut mich einfach total.