Als Göttinger in New York (Teil 1)

Berlin besuche ich schon einige Jahre regelmäßig, in Istanbul war ich ein paar Mal, auch in Paris. Ja, auch Hamburg, Kopenhagen und Stockholm habe ich schon photographiert.
New York war immer nur ein Traum. In früheren Jahren war meine Vorstellung von der Stadt sehr konkret geprägt von der Serie „Lieber Onkel Bill“, gefolgt von Theo Kojak und Woody Allen. In den 80ern war ich schon einmal kurz davor hinzufliegen. Ich hatte bereits ein Visum. Heute weiß ich gar nicht mehr genau, warum ich dann stattdessen nach Gomera geflogen bin.
Und nun waren wir zu fünft da. Meine Familie mußte mich sehr gründlich dazu überreden. Eigentlich wollte ich nicht.
Den Flug buchten wir etwa ein halbes Jahr im Voraus bei Opodo, als Unterkunft fanden wir eine Wohnung in Brooklyn: gute U-Bahn-Anbindung an Manhattan, aber Wohnen abseits des Trubels, eigentlich direkt am Grünen, am Prospect Park. Hotelpreise in Manhattan sind abenteuerlich. Für die Wohnung bezahlten wir etwa ein Viertel und hatten dazu noch richtig Platz und ein spannendes, echt amerikanisches, gar nicht touristisches Wohnumfeld.

Der Hinflug war angenehm und zerstreute all meine Bedenken gegen Langstreckenflüge sanft und gründlich. So wie die reizenden Stewardessen von Singapore Airlines uns bedienten.

Bei der Ankunft in JFK erwartete uns entgegen den meisten Beschreibungen in Reiseführern keine zweistündige Prozedur mit peinlicher Befragung oder gar Leibesvisitation, sondern lediglich ein eindrucksvoller Beamter, der die Pässe durchsah, Fingerabdrücke von allen Fingern beider Hände nahm, je ein Digitalphoto machte und nach dem Grund für unseren Besuch fragte. Das alles so wortkarg, wie es irgend ging. Nachdem er unsere Pässe gestempelt hatte, schaufelte er sie ein paar mal in seinen großen Händen hin und her, als würde er Karten mischen, gewährte uns einen letzten bedeutungsvollen Blick, bevor er uns kurz und schmerzlos verabschiedete. Hinein nach Amerika, zunächst ins Innere des Flughafens, wo ich als erstes lernte, daß Toilette nicht toilette sondern restroom heißt.

JFK ist ziemlich groß, erscheint aber eigentlich viel kleiner als Frankfurt am Main. Wir nahmen den Airtrain, der eine Runde um alle Terminals fliegt, äh fährt und dann abbiegt Richtung U-Bahn, entweder nach „Jamaica“ oder nach „Howard Beach“. Letztere Station hatten wir im Visier und genau dorthin fuhr der Airtrain an jenem Samstag nicht. Stattdessen wurden wir gehalten, den Shuttle-Bus zu nehmen. Soweit kein Problem, abgesehen davon, daß das Koffer über Treppen schleppen bedeutete. Wie auch im weiteren Verlauf. Die Alternative, mit dem Taxi nach Brooklyn zu fahren, hatten wir von vornherein verworfen. Wir wollten es billiger und vor allem authentisch.
Und so bekamen wir es auch. Der Shuttle-Bus, bzw die 3 Shuttle-Busse, die wir nacheinander befuhren, bis wir nach eindrucksvoller Fahrt durch Queens in Roackaway Boulevard ankamen, wo der A-Train der New Yorker subway einen Bahnhof hat, waren „free“. Der Airtrain hätte 25 Dollar gekostet.

Allerdings dauerte die Reise von JFK bis zum Prospect Park etwa dreieinhalb Stunden. Umsteigen von Bus in U-Bahn und von einer U-Bahn in eine andere. Koffer die einen Treppen rauf, die andern wieder runter. Und natürlich Fahrkarten kaufen mit Kreditkarte. Da bekam ich meinen ersten Schweißausbruch, weil der Automat nicht wirklich intuitiv bedienbar war. Glücklicherweise sind die Menschen in New York außerordentlich hilfsbereit und geduldig. Zwei Eigenschaften, die sich auch im späteren Verlauf als sehr positiv und nützlich erwiesen.
Dies gleich wieder, als unser Zug an der Station Euclid Avenue einfach stehen blieb und wir nach etwa 10 Minuten per Lautsprecher harsch angewiesen wurden auszusteigen. Unser Zug verschwandt dann leer im Tunnel. Mit dem näachsten einfahrenden wiederholte sich das, so daß wir schon erwogen stattdessen lieber Bus zu fahren. Aber die Aufsicht des Bahnhofs, die wir fragten, riet uns davon ab: da würden wir verloren gehen…

Als wir unsere Wohnung in Brooklyn erreichten, waren wir zwar ziemlich geschafft, aber die Vorstellung am ersten Abend einfach nur früh schlafen zu gehen kam für mich einfach nicht in Frage. Stattdessen schnappte ich mir die Kamera und zog los. Magisch angezogen von Manhattan fuhr ich bis Yorkstreet, was laut Stadtplan nahe an der Brooklyn Bridge sein sollte und ging von dort zu Fuß weiter. Es war viel näher als gedacht – und irgendwie auch viel aufregender.

Da stand ich also: unter der Manhatten bridge, blickte auf die Brooklyn bridge und lower Manhattan. Der letzte orange Lichtstreifen am Westhimmel, die Wolkenkratzer glitzerten, der East River funkelte und die Hochbahn donnerte und ratterte über die Brücke.

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  • Beitrags-Kommentare:6 Kommentare

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. hofpils

    Bin gespannt auf weitere Bilder.

  2. pittiplattsch

    Klasse, jetzt die Geschichte zu den Bildern. Ich freue mich auf mehr!

  3. Tante Käthe

    Das ist ein Bericht, wie er sein sollte!

  4. joos

    Hach, wie schön…! Mein Bruder wollte vor ein paar Jahren seinen 50. in New York feiern, und wer wollte, sollte halt hinkommen. Mich hatte es eigentlich nicht wirklich gereizt, aber meine Frau hat mich dann doch überredet. Es war toll! New York hat schon ein sehr eigenes feeling und wahrscheinlich war ich nicht zum letzten Mal da. Da unter Brooklyn Bridge habe ich, glaube ich, auch gestanden, weil in der Nähe ein chinesischer Antiquitätenhändler war, wo ich unbedingt hin wollte… War schon alles ziemlich aufregend, aber leider noch ohne Digitalknipse…
    Deine Fotos und dein Bericht sind nette Erinnerungen für mich, ich bin gespannt, auf die weiteren!
    LG joos

  5. Alan

    Wie bzw. durch wen haben Sie Quartier in Brooklyn gefunden? Ich würde auch mal gern NYC besuchen.

    1. grapf

      Gucken Sie mal bei fewo-direkt.de, zum Beispiel.

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