New York so als Stadt

Brooklyn, wo wir Quartier hatten, speziell Windsor Terrace, ist ausgesprochen kleinstädtisch. Dort gibt es überwiegend ein- bis zweistöckige Reihenhäuser, die zum großen Teil aus braunen Ziegeln („brownstones“) gebaut sind, alle Mikro-Vorgärten haben, in denen Mülltonnen stehen, aber auch Kleinstbeete angelegt sind.

Durch die kleinen Straßen fährt morgens ein Heer von Schulbussen, wie man sie aus alten Filmen kennt. Ich hätte nie gedacht, daß die dort noch im Einsatz sind. Wir sahen sie nicht nur überall unterwegs, sondern auch zu zig bis hunderten in Bushöfen geparkt. Als bestünde das Bedürfnis, einen großen Vorrat davon anzulegen.

Am frühen Morgen kann man den Brooklynern auch zuhauf beim Joggen zusehen, sowohl im Prospect Park, wo es auf den asphaltierten Wegen getrennte Spuren für langsame Läufer, schnelle Läufer und Radfahrer und sogar Ampeln an Kreuzungen gibt! Gelaufen wird aber auch einfach durch die Straßen. Und Rad gefahren, übrigens auch einfach zur Fortbewegung.
Natürlich gibt es viel Autoverkehr in New York, aber es gibt gefühlt noch mehr Fußgänger und viele Radler. Ein Großteil des Autoverkehrs besteht aus Taxis.

Sobald man über die Brooklyn Bridge geht, die Brooklyn mit Manhattan verbindet, weitet sich der Horizont, man atmet tiefer und dann plötzlich stoßweise und hat ein Brückengefühl, das bei mir bislang weder die Warschauer Brücke in Berlin noch die Galata-Brücke in Istanbul und erst recht nicht die pont neuf in Paris hervorrufen konnte. Der Blick durch die Stahlseile auf die Wolkenkratzer, zur Seite auf die architektonisch nicht weniger faszinierende Manhattan Bridge und weiter hinten die Williamsburg Bridge läßt einem das Zwerchfell flattern. Man fühlt sich nicht klein, sondern erhaben.

Am frühen Morgen nach unserer Ankunft überquerten wir die Brooklyn Bridge zum ersten Mal. Das Licht war kühl und klar und verdrängte Hunger und Müdigkeit. Erst auf der anderen Seite, unter der City Hall, fingen wir an nach einer Frühstücksgelegenheit zu suchen. Was wir in lower Manhattan nicht wirklich einfach fanden. Wir landeten schließlich bei McDonalds an der Canalstreet in Chinatown. Selten habe ich scheußlicher gefrühstückt. Zugleich wirkte es aber auch sehr authentisch. Daß es in allen Fastfood-Läden Schilder gibt, die zum schneller essen auffordern bzw das Trödeln verbieten, wußte ich da noch nicht und fand es ziemlich herbe.

Die Jungs in Jogginghosen und Käppis und gut verstöpselt, die am Tresen mit den Steckdosen saßen, in denen ihre Kommunikations- und Spielgeräte steckten, schien das wenig zu kümmern.
Ich war froh wieder raus zu kommen, begeistert erste Wassertürme zu photographieren und chinesische Menschen, die gerade anfingen ihre Stände aufzubauen. Sonntags Morgens ist noch nicht viel los in Chinatown.

Das war im Central Park schon anders, den wir von Süden aus erkunden wollten. Dort waren Massen von rosa gekleideten Menschen unterwegs, die einen unglaublichen Lärm machten. Sie protestierten gegen Brustkrebs.
Mein erster Eindruck von diesem für mich sagenumwobenen Park war insoweit arg ernüchternd.
Die seventh avenue gefiel mir unmittelbar besser. Wie auch die erste Pizza, von da an unser liebstes Mittagsessen in Manhattan. Ein slice für $ 2,50 und richtig lecker. Ausprobiert haben wir bei anderer Gelegenheit auch verschiedenste Sandwiches sowie indisches und chinesisches Essen. Alles äußerst lecker und reichlich und nicht teurer als in Deutschland. Die Kinder hatten auch viel Appetit auf Burger und Pommes, nur Donuts oder Hot dogs wollte seltsamerweise niemand.

In Manhattan geht man tatsächlich überwiegend zu Fuß. Die Entfernungen sind zwar beträchtlich, aber man guckt sich auch nicht an einem Tag ganz Manhattan an. Man fährt stattdessen mit der subway in eine Ecke, die man erkunden will, und wandert dann los, läßt sich treiben, macht Entdeckungen und übt sich im Staunen. Über die Schönheit der Wolkenkratzer. Über die Selbstverständlichkeit, mit der alle New Yorker Fußgänger bei Rot über die Ampel gehen. Ohne überfahren, ja selbst ohne angehupt zu werden. Dabei wird in den Straßen sehr viel gehupt, meist nur zwischen Autofahrern, das aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Ein interessantes Thema sind noch die restrooms. Man trinkt zwar zweckmäßigerweise so wenig wie möglich, aber irgendwann muß man dann ja doch mal. Da es quasi nirgends öffentliche Toiletten gibt, bleiben als Ausweg nur Starbucks oder Burgerking oder McDonalds. Starbucks gibt es buchstäblich alle 500 Meter. Jeder hat nur 1 Restroom unisex, davor steht grundsätzlich eine lange Schlange. So daß man sich am sinnvollsten mit seinem Kaffee direkt in die Schlange stellt. Da es bei Starbucks auch immer free WiFi gibt, nutzt man die Zeit, mal eben Mails zu checken, facebook zu erzählen, was man gerade tut oder in der subway-App nachzugucken, wo man wie als nächstes hinfährt. Wenn man endlich dran kommt, ist der Kaffee meistens auch schon durchgelaufen. In den Burger-Abfütterungsstätten gibt es zwar oft mehrere Toiletten, allerdings wacht dort ebenso oft Personal darüber, daß man auch etwas konsumiert und nicht nur die restrooms benutzt.


Über den Times Square hatte ich viel gehört, daß er so sein würde, hatten wir dann aber doch nicht erwartet. Er sog uns ein und entließ uns erst nach mehreren Stunden. Und alle sagten, daß sie da unbedingt wieder hin wollten.
Mit 5 Leuten geht man nicht für jede Mahlzeit essen, sondern kauft dann auch ein, um zuhause zu essen. Allerdings gibt es keine Rewes, Aldis oder Lidls, sondern es gibt Walgreen, was eigentlich eine Apotheke oder Drogerie ist, in der man aber auch gewisse Lebensmittel kriegt. Und es gibt, vor allem in Brooklyn, kleine Läden, die sich „Deli“ nennen. Für Delikatessen. Dort gibt es ganz ähnliche Dinge wie bei Rewe, aber in viel kleinerer Auswahl, zu einem großen Teil „organic“ oder „kosher“ – und teilweise unglaublich teuer. Ein halbes Pfund Butter für 4 Dollar, 2l Milch für 5 Dollar, eine Dose Bier ab 3 Dollar. Man bekommt kaum Brot, dafür aber köstliche Bagels, die gut sättigen. Das beste an den Delis ist, daß sie sozusagen immer geöffnet haben. Selbst mitten im Hurrikane. Aber dazu bei anderer Gelegenheit mehr.

Wenn man abends nach einem ausgiebigen Wandertag noch seine Kommunikationsbedürfnisse befriedigt hat (ein bißchen erzählen, vor allem aber mailen, bei facebook posten oder über what’s app chatten), fällt man irgendwann wie ein Stein ins Bett. Während die 5 Steckdosen-Adapter, die wir mitgebracht haben, allesamt belegt sind von Ladegeräten für Smartphones, Kamera-Akkus und Netbook. Alles Geräte, ohne die so eine Reise undenkbar wäre.

Fortsetzung folgt.
Noch ein paar Bilder mehr hin und wieder hier: grapf.de

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Als Göttinger in New York (Teil 1)

Berlin besuche ich schon einige Jahre regelmäßig, in Istanbul war ich ein paar Mal, auch in Paris. Ja, auch Hamburg, Kopenhagen und Stockholm habe ich schon photographiert.
New York war immer nur ein Traum. In früheren Jahren war meine Vorstellung von der Stadt sehr konkret geprägt von der Serie „Lieber Onkel Bill“, gefolgt von Theo Kojak und Woody Allen. In den 80ern war ich schon einmal kurz davor hinzufliegen. Ich hatte bereits ein Visum. Heute weiß ich gar nicht mehr genau, warum ich dann stattdessen nach Gomera geflogen bin.
Und nun waren wir zu fünft da. Meine Familie mußte mich sehr gründlich dazu überreden. Eigentlich wollte ich nicht.
Den Flug buchten wir etwa ein halbes Jahr im Voraus bei Opodo, als Unterkunft fanden wir eine Wohnung in Brooklyn: gute U-Bahn-Anbindung an Manhattan, aber Wohnen abseits des Trubels, eigentlich direkt am Grünen, am Prospect Park. Hotelpreise in Manhattan sind abenteuerlich. Für die Wohnung bezahlten wir etwa ein Viertel und hatten dazu noch richtig Platz und ein spannendes, echt amerikanisches, gar nicht touristisches Wohnumfeld.

Der Hinflug war angenehm und zerstreute all meine Bedenken gegen Langstreckenflüge sanft und gründlich. So wie die reizenden Stewardessen von Singapore Airlines uns bedienten.

Bei der Ankunft in JFK erwartete uns entgegen den meisten Beschreibungen in Reiseführern keine zweistündige Prozedur mit peinlicher Befragung oder gar Leibesvisitation, sondern lediglich ein eindrucksvoller Beamter, der die Pässe durchsah, Fingerabdrücke von allen Fingern beider Hände nahm, je ein Digitalphoto machte und nach dem Grund für unseren Besuch fragte. Das alles so wortkarg, wie es irgend ging. Nachdem er unsere Pässe gestempelt hatte, schaufelte er sie ein paar mal in seinen großen Händen hin und her, als würde er Karten mischen, gewährte uns einen letzten bedeutungsvollen Blick, bevor er uns kurz und schmerzlos verabschiedete. Hinein nach Amerika, zunächst ins Innere des Flughafens, wo ich als erstes lernte, daß Toilette nicht toilette sondern restroom heißt.

JFK ist ziemlich groß, erscheint aber eigentlich viel kleiner als Frankfurt am Main. Wir nahmen den Airtrain, der eine Runde um alle Terminals fliegt, äh fährt und dann abbiegt Richtung U-Bahn, entweder nach „Jamaica“ oder nach „Howard Beach“. Letztere Station hatten wir im Visier und genau dorthin fuhr der Airtrain an jenem Samstag nicht. Stattdessen wurden wir gehalten, den Shuttle-Bus zu nehmen. Soweit kein Problem, abgesehen davon, daß das Koffer über Treppen schleppen bedeutete. Wie auch im weiteren Verlauf. Die Alternative, mit dem Taxi nach Brooklyn zu fahren, hatten wir von vornherein verworfen. Wir wollten es billiger und vor allem authentisch.
Und so bekamen wir es auch. Der Shuttle-Bus, bzw die 3 Shuttle-Busse, die wir nacheinander befuhren, bis wir nach eindrucksvoller Fahrt durch Queens in Roackaway Boulevard ankamen, wo der A-Train der New Yorker subway einen Bahnhof hat, waren „free“. Der Airtrain hätte 25 Dollar gekostet.

Allerdings dauerte die Reise von JFK bis zum Prospect Park etwa dreieinhalb Stunden. Umsteigen von Bus in U-Bahn und von einer U-Bahn in eine andere. Koffer die einen Treppen rauf, die andern wieder runter. Und natürlich Fahrkarten kaufen mit Kreditkarte. Da bekam ich meinen ersten Schweißausbruch, weil der Automat nicht wirklich intuitiv bedienbar war. Glücklicherweise sind die Menschen in New York außerordentlich hilfsbereit und geduldig. Zwei Eigenschaften, die sich auch im späteren Verlauf als sehr positiv und nützlich erwiesen.
Dies gleich wieder, als unser Zug an der Station Euclid Avenue einfach stehen blieb und wir nach etwa 10 Minuten per Lautsprecher harsch angewiesen wurden auszusteigen. Unser Zug verschwandt dann leer im Tunnel. Mit dem näachsten einfahrenden wiederholte sich das, so daß wir schon erwogen stattdessen lieber Bus zu fahren. Aber die Aufsicht des Bahnhofs, die wir fragten, riet uns davon ab: da würden wir verloren gehen…

Als wir unsere Wohnung in Brooklyn erreichten, waren wir zwar ziemlich geschafft, aber die Vorstellung am ersten Abend einfach nur früh schlafen zu gehen kam für mich einfach nicht in Frage. Stattdessen schnappte ich mir die Kamera und zog los. Magisch angezogen von Manhattan fuhr ich bis Yorkstreet, was laut Stadtplan nahe an der Brooklyn Bridge sein sollte und ging von dort zu Fuß weiter. Es war viel näher als gedacht – und irgendwie auch viel aufregender.

Da stand ich also: unter der Manhatten bridge, blickte auf die Brooklyn bridge und lower Manhattan. Der letzte orange Lichtstreifen am Westhimmel, die Wolkenkratzer glitzerten, der East River funkelte und die Hochbahn donnerte und ratterte über die Brücke.

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