Meta-Gedanken

Morgens zwingt mich meine Gattin, noch während ich Zucker und Milch in meinen Kaffee rühre, aufzustehen, hinaus zu eilen in die Kälte und den Kücheneimer zur Mülltonne zu bringen, weil gerade die Abfuhr anrollt.
Im Anschluß schlägt sie mir vor, diesen empörenden Vorfall doch mal gleich zu bloggen. Worauf ich entgegne, ich hätte gar kein Blog mehr. Warum nicht, fragt sie. Keine Lust mehr, antworte ich. Nicht so ganz wahrheitsgemäß. Das bißchen, was es noch zu sagen gebe, das lande jetzt bei facebook oder google+.

Sie, die jahrelang meine Intention zu bloggen nicht verstand, stimmt jetzt völlig mit mir überein, daß diese Entwicklung eine sehr traurige ist. Auf das Datenkrakenwesen der beiden genannten Anbieter will ich hier jetzt gar nicht abheben. Mehr geht es mir um den Verlust an individuellem persönlichen Engagement, das in privaten Weblogs zum Ausdruck kommt. Oder kam.

Es ist natürlich so viel einfacher, sich in die fb- oder g+-community einzuklicken, sofort alle eminent wichtigen Neuigkeiten der zahlreichen Freunde lesen und mit klugen Worten kommentieren zu können, als sich durch die Blogroll eines eigenen Weblogs zu klicken, womöglich mehrmals seinen Nick und die Mailadresse eingeben zu müssen, um am fremden Ort fundierte Meinungen hinterlassen zu können.
Während ich mich jede Woche aufs neue mehrmals täglich frage, ob ich meinen fb- oder g+-Account nicht wieder löschen soll, weil mich das überwiegend oberflächliche Blabla dort nur nervt. Ständig darüber nachdenken zu müssen, ob meine Privatheits- und Datenschutzeinstellungen noch sicher genug sind, fördert die Motivation, dort irgendwelchen relevanten Inhalt zu hinterlassen, auch nur sehr marginal.

Und daß wir hierzulande via genannter Internetgemeinden oder Twitter gesellschaftliche Bewegungen so organisiert kriegen, daß sich die Verhältnisse entscheidend ändern, daran glaube ich nicht. Dafür geht es uns viel zu gut.

Wie nun also?
Ich sitze hier und sinne nach.

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch
  • Beitrags-Kommentare:5 Kommentare

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. rollinger

    Das ist nur die normale Blogger und new media Krise.
    Ich drehte es um und machte noch mehr bloggs. Die bloggs kommen sicher wieder, wenn sich all das fastfood Geschreibsel gelegt hat.
    Man kann bei fb etc mal flott was schreiben, aber nichts ernstes, es verschwinde sowieso gleich wieder.
    Twitter ist anders aufgebaut, da ist es wurscht und die paar Zeilen auch kein Verlust. Twitter ist eher wie ein Kreuzworträtsel zu lösen :-)

    Ins Blogg schreiben und das verlinken in die Medien ist das Mittelding dazu.
    Bloggs sind eher Personen, new media sind eher Massen.
    Das gibt sich wieder. Gruß rollinger

  2. grapf

    Na denn man tau: ich nehm Sie beim Wort!

  3. Fassbrause

    Die geschilderte Eingangsszene klang ein bißchen nach Loriot. ;-)
    Beim Fiesbuch bin ich zwar nicht, aber die Frage wie’s weitergeht mit dem Internet habe ich mir auch schon mal gestellt.
    Sind die Sozialen Netzwerke wie Facebook jetzt wirklich die digitale Revolution, die unser aller Leben verändert, wie uns die Anbieter dieser Dienste immer weismachen wollen?
    Oder ist das jetzt eigentlich nur eine große Modewelle, weil die Sache noch relativ neu ist? Kommen die kleinen doch Independant-Weblogs wieder, weil alle die Einheitssoße irgendwann überhaben oder setzt sich doch der Trend zur Konzentration durch?
    Vielleicht kommt ja auch noch etwas Drittes hinzu, was jetzt noch keiner ahnt.

  4. grapf

    Die sozialen Netzwerke verändern das Leben derer, die da intensiv mitmachen, sichtbar: sie verbringen beängstigend viel Zeit mit dem Verfassen von Meldungen, dem Klicken durch Meldungen und Bilder der Freunde – und dem Zusammenklicken neuer Freunde. Sammelleidenschaft wird befriedigt und Sucht wird erzeugt, weil die Leidenschaft nie wirklich befriedigt wird. Zugleich gehen Fähigkeiten des realen Kommunizierens im direkten Gegenüber verloren.
    Langfristige Folgen vermag ich mir noch gar nicht vorzustellen.
    Wie las ich neulich so treffend: früher fand man es noch heftig, wenn jemand per SMS mit seiner Freundin Schluß machte. Heute wird nur noch der Beziehungsstatus bei facebook aktualisiert.
    Aber das ist ja noch wieder ein anderes Thema.

    Der Trend zur Einheitssoße wird ja auch sonst im Bereich Cloud-Computing rabiat durchgedrückt. Standardisierung und Zentralisierung auf Biegen und Brechen. Die dabei entstehenden Monopole wieder zu entzerren und Netzwerke zu dezentralisieren wird eine immer schwerere Aufgabe.

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