Von der Maßlosigkeit

Wenn man das Rad zurückdrehen könnte, würde man die Privatisierung so manchen ehemals staatlichen Betriebs rückgängig machen. Überlegen wir beim Frühstück. Die Neuseeländer haben das bereits gemerkt und gerade ihre Eisenbahn wieder verstaatlicht, die sie 1993 privatisiert hatten.
Vielleicht sollten wir da mal drüber nachdenken, diesen Mehdorn und diesen Tiefensee endlich vor die Tür setzen und unsere Bahn gleich erstmal staatlich lassen.
Im nächsten Zug entweder die Zeit zurückdrehen oder halt ebenfalls wieder verstaatlichen: die Energieversorger, die Post und die Telekom, die Stadtwerke vieler Städte, die öffentlichen Nahverkehrsunternehmen.
Denkt man so einerseits. Weil Betriebe, die von so herausragendem öffentlichen Interesse sind, in öffentlicher Hand sein sollten. Wie auch das Fernsehen. Wie ganz besonders das Fernsehen mit seinem ganz besonderen Bildungsauftrag. Und nicht Verblödungsauftrag.
Was das alles mit Maßlosigkeit zu tun hat?
Naja, maßlos sind ja ganz offensichtlich die Gehälter der Vorstände dieser privatisierten Betriebe. Maßlos sind die Expansionsbestrebungen (Was kostet die Welt? Wir kaufen sie uns einfach. Weil wir es können.).
Und maßlos sind in besonderem Maße die Flatrates, die seit der Privatisierung der Medien allmählich in allen Lebensbereichen Einzug halten. Erst war es nur Internet, jetzt ist es auch Telefonie, auch mit dem Handy, und Bier in der Kneipe und Hamburger im Frißschnelloderstirb-Imbiß. Maßlos ist der Geiz, mit dem nicht nur Reklame gemacht wird, sondern ganze Produktionszweige hierzulande vernichtet werden, weil zu teuer, weil in China, Ägypten oder wo der Pfeffer wächst, viel billiger zu machen und weil wir alles haben wollen und zwar jetzt sofort.
Maßlos ist unsere Blödheit. So sehr, daß wir das nicht mal merken.
An dieser Maßlosigkeit, die uns nun dazu treibt, in aller Welt Biosprit herstellen zu lassen, damit wir hier guten Gewissen weiter fleißig Autokilometer runterreißen können, an dieser Maßlosigkeit sterben die Leute in andern Ländern an ihrem maßlosen Hunger. Und an der maßlosen Umweltverschmutzung und -zerstörung, die die maßlose Profitgier der Unternehmen mit sich bringt, die einigen von uns hier ein maßlos geiles Leben ermöglichen.

Also wenn man die Zeit zurückdrehen könnte, dann müßte man diese Weichen anders stellen und den Dingen einen anderen Drall geben. Das war das Fazit vom Frühstück jedenfalls.
Aber es ist wohl so: man will immer noch mehr.

Nachtrag (14.05.): zum Thema Bahnprivatisierung siehe auch den ebenso herausragenden wie niederschmetternden Artikel von Jens Berger.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Ulrich

    Das sehe ich auch so. Immer, wenn die Tagesschau wieder vermeldet, die Bahn müsse privatisiert werden, frage ich mich: Warum?

    Ich möchte nicht, daß die Bahn privatisiert wird. Ich möchte, daß sie dem Staat gehört und der Staat sicherstellt, daß man mit der Bahn überall hinkommt. Die Kosten dafür sollten aber nicht als Steuern sondern als eine Bahnabgabe in Rechnung gestellt werden, ähnlich wie die GEZ-Gebühren.

    Jedenfalls wüßte ich schon gerne, warum die Bahn unbedingt privatisiert werden muß. Sie gehört uns allen. Es ist nicht o.k., daß eine Firma dieses ‚Bürgereigentum‘ von uns erwerben und danach machen kann, was sie will.

    Die Folge der Privatierung wird Streckenstillegung, Sicherheits- und Qualitätsverlust sein. Das kann nicht im Interesse des Kunden sein.

  2. Fotoente

    Ähnlich wie die GEZ-Gebühren? Also sowas würde ich niemals mit der GEZ vergleichen wollen … Ganoven mit schlechtem Ruf.
    Die wichtigsten Fragen sind doch:

    – was kostet es? (am besten so günstig wie möglich : geht nur über Subventionen oder Verluste)
    – wer soll es finanzieren? (die Steuerzahler oder die Nutzer)
    – wer soll Einfluß nehmen können? (der Staat oder Unternehmen/Investoren)

    Wenn die Bahn streiken kann, warum sollte sie dann nicht privatisiert werden können?

  3. grapf

    Eine GEZ-Gebühr für die Bahn will ich auch nicht haben, zumal ich schon die für das Fernsehen absolut daneben finde, jedenfalls die Art, wie die Gebühr eingetrieben wird. Das steht dem Charme der Musik-Mafia oder den einfühlsamen Methoden anderer professioneller Geldeintreiber in nichts nach.

    Da erscheint es mir schon deutlich sinnvoller, die Bahn wie früher auch aus Steuergeldern zu subventionieren. Und zwar in deutlich höherem Umfang als den Auto- und erst recht als den Schwerlastverkehr. Das Thema ist immer wieder dasselbe, aber es bleibt auch leider immer aktuell: Transporte wären in einer gut ausgebauten und funktionierenden Schienen-Infrastruktur, die auch noch ländliche Gegenden bedient, gut aufgehoben. Das Autobahn- und Straßennetz den Giga-Linern anzupassen bzw stetig nachzubessern dürfte der weitaus größere Kostenfaktor sein, ist ungeheuer viel umweltbelastender und lebensgefährlicher für alle andern Verkehrsteilnehmer.
    Wenn aber jeder Einwohner hier eine Bahnsteuer zu entrichten hätte, deren Verwendung garantiert dem Ausbau und der Erhaltung einer allen dienlichen Bahn-Infrastruktur zugute käme, würde man vielleicht auch die Nutzung des eigenen Autos einmal öfter hinterfragen, zumal wenn die Fahrpreise für die Bahn dabei gesenkt werden könnten.
    Wie gesagt: unendliches Thema, bei dem meiner Meinung nach seit vielen Jahren die Weichen grundsätzlich falsch gestellt werden und alle, die es besser wissen müßten, sich als Pfeifen oder als willige Helfershelfer und Lobbyisten der Automobil- und anhängenden Industrie bewährt haben.

    Aber… – all das war eigentlich gar nicht das Thema meines Beitrags hier: eigentlich ging es mir um Maßlosigkeit. Und nun habe ich wieder mal maßlos in eine ganz andere Richtung kommentiert. :-/

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