Feindliche Übernahme des Nikolaiviertels

Laut Göttinger Tageblatt vom vergangenen Samstag ist das komplette Häuserviertel zwischen Groner Straße, Nikolaistraße und Düsterer Straße an einen Investor verkauft worden, der es komplett abreißen und dort ein Einkaufszentrum speziell für Textilien errichten lassen will.
Freunde, mit denen ich darüber sprach, waren ebenso fassungslos wie ich, hielten die Meldung für einen Aprilscherz. Nur daß eben leider 1. Oktober war.
Hat sich das GT im Datum geirrt?

Leider scheint es vielmehr, als würden weite Teile der Innenstadt nach und nach von Fremdinvestoren feindlich übernommen, platt gemacht und mit Betonmasse zugegossen. Siehe Lünemann-Areal, siehe Pläne für Stadtbad-Areal, siehe nun Nikolaiviertel. Was weiter geschieht, ist noch im Dunkeln. Die sogenannte Einweihung des Einkaufszentrums auf dem Lünemann-Areal ist erst im Sommer 2006. Wer weiß, als was es sich wirklich entpuppen wird.
Und: wer zieht da eigentlich die Fäden?

Dieser Beitrag hat 11 Kommentare

  1. Timo

    Puh, ich dachte gerade, Du meinst das Nikolaiviertel in Berlin. Das hätte mich irgendwie gewundert, da das ja denkmalgeschützt ist.

  2. grapf

    Nö, nur das Göttinger. Da is kaum was denkmalgeschützt. Aber selbst wenn, scheint das niemanden wirklich zu jucken. Sind halt nur paar alte Häuser, paar Cafés, Musikkneipen, Geschäfte, die eh bald pleite gehen –
    nix von Bedeutung. :-(

    Die Zielstrebigkeit, mit der das Flair der Göttinger Innenstadt durch Megastores, Rossmänner und diese ganzen Mäck-Läden vernichtet wird, ist es, die das Gruseln lehrt.

  3. adsaphila

    Och nee, oder?

    Das kann doch einfach nicht sein, ich hoffe, die kommen damit nicht durch. Einkaufszentrum für Textilien, wer braucht denn sowas?
    Selbst wenn ich nicht zurückkomme, das ist doch Mein Göttingen, in dem ich die erste Hälfte meines Lebens verbracht habe. Und die versauen jetzt die ganze Stadt. Scheizze.

  4. rolf

    @Timo
    war auch mein Gedanke :-)
    aber die Welt ist ja doch größer…

  5. grapf

    @adsaphila: so wie sich das im GT las, ist schon alles gelaufen.
    Wer das braucht?
    Wer braucht einen Kaufpark II? Der erste war schon überflüssig. Wer braucht 10 Drogerien in einer FuZo?
    Wer braucht diese ganzen Billigramschläden?
    Deiner Schlußfolgerung stimme ich unumwunden zu. :-(

  6. hildi

    Irgendwann stehen wir mit lauter Riesenbetonruinen da. Vielleicht machen eines Tages ein paar Sprayer wenigstens etwas aussagekräftiges daraus. Keine Ahnung, was das soll. Aber ich fürchte ja, dass unter unserer neuen Regierung solche Fälle eher häufiger werden. Mit welchem Zweck, weiss ich nicht.

  7. grapf

    Neue Regierung? Kriegen wir denn eine? Weißt du schon mehr? ;-(

    Aber ich werde die üble Befürchtung nicht los, daß du recht hast. Was sich in Göttingen unterm CDU-OB verschlechtert hat, ist jedenfalls eklatant.

  8. Timo

    Bei meiner Heimatstadt Pforzheim wird auch die komplette Innenstadt seit Jahren aufgehübscht, in diesem Fall ist es jedoch rein optisch kein Problem, da die Innenstadt bisher den typischen Flair einer großflächig zerbombten und nach dem Krieg hastig wieder aufgebauten Stadt bot.

    Traurig ist es aber natürlich auch hier wegen der kleinen Läden, die ebenfalls reihenweise pleite gehen :-(

  9. Timo

    @grapf: Achso, noch was: Ich finde, auf kommunaler Ebene ist das Parteibuch des Bürgermeisters doch nicht so wahnsinnig ausschlaggebend, oder?

    Viel eher sind es die Gemeinderäte der CDU, die so tolle Aktionen machen wie „linke Jugendclubs, in denen Drogen konsumiert werden“ zu schliessen. (Zumindest in solchen Städten wie bspw. Pforzheim)

    Aber wir sehen ja selbst hier in Berlin dass das Parteibuch der Senatoren wirklich wurscht ist. Beispielsweise hat der Bausenator Berlins (SPD) die geschmierten Projekte seines Vorgängers (CDU) nahtlos übernommen.

  10. Michael Wegener

    Textilien hin oder her, in Göttingen wird die Chance ein breiteres Spektrum und auch ausgefallenere Artikel zu bekommen jeden Tag kleiner. Wir brauchen keinen zweiten Kaufpark in der Stadt, fast jeden Artikel dort kann der Käufer in der Innenstadt bekommen. Was passiert wenn die Innenstadt so wie ein Kaufpark von innen aussieht?

    Es gibt in Göttingen sogar ein Areal in zentraler Lage, was seinen Sinn nicht mehr erfüllt und mal eine neue Idee zur Nutzung zukommen sollte. Ein häßlicher Schandfleck! Das neue Rathaus…

  11. Anton Nymous

    Es gilt intelligente Wege zum Erhalt des Nikolai-Viertels zu finden und zu gehen. Was sollen die Göttinger Bürger mit einem neumodischen, existenzunsicheren Textil-Viertel? Das braucht hier niemand. Es gibt genug Textilgeschäfte für jedes Niveau in der Innenstadt – man muss nur hinschauen und das vorhandene Angebot nutzen!Ich kann mir vorstellen, dass die Göttinger Bürger dem Investor den Abriß des jahrhundertealten Nikolaiviertel nie verzeihen würden und die neuen Geschäfte meiden würden. Dann hätte sich der Investor aber mal gründlich verrechnet und würde pleite gehen.
    Ein normal denkender Mensch käme niemals auf die krankhafte Idee, dass historische Nikolaiviertel abzureißen. Wer auf eine solche absurde Idee kommt, kann nach meiner Meinung nicht glaubhaft versichern, ein insgesamt vernünftiges tragfähiges und schlüssiges Geschäftskonzept zu vertreten! Wer weiß, was da noch alles zum Vorschein kommt. Es kann nicht angehen, dass der Investor hier machen kann was er will. Die Göttinger Bürger und Stadt Göttingen müssen hier die Bedingungen stellen, nicht allein der Investor. Neue Bedingungen werden geschaffen, wenn die z.B. Inhalte des sehr wichtigen offenen Briefes umgesetzt werden, auf den der folgende Link zeigt:

    http://www.goest.de/nikolai.htm

    So etwas wie diesen offenen Brief nenne ich eine qualifizierte Argumentation, die man vielleicht per einstweiliger Verfügung bzw. Gerichtsurteil durchsetzen könnte – ich bin kein Jurist. Wenn im Grundbuch und anderen behördlichen Baudokumenten der Denkmalschutz eingetragen ist, sind dem Investor die Hände gebunden, weil keine Abriß- oder Baugenehmigung am Denkmalschutz vorbeikommt. Damit würde das Nikolaiviertel erhalten bleiben!!! Dem Investor muß klar gemacht werden, dass er eindeutig am kürzeren Hebel sitzt und keinen Freibrief hat.

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