Ode an die Ostzone

Es ist ja noch gar nicht so lange her, da fuhr man über die Grenze in die Neuen Länder,um dort vor allem jede Menge begonnene Bauvorhaben zu sehen, die in unterschiedlichsten Stadien eingefroren schienen. Häuser, die noch nicht verputzt, Straßen, die noch nicht asphaltiert waren – ganz neue Zweige der Tourismusindustrie wurden geschaffen, um all der Schaulustigen und derer, die es werden wollten, Herr zu werden.
Rechtzeitig zum Weihnachtsfeste 2004 hat die Stadt Göttingen ihren Bürgern ein nostalghisches Geschenk gemacht, das an die guten alten Ostzonenzeiten erinnern soll:

der Einmündungsbereich der Geismarlandstraße ins Geismartor wurde großzügig umgebaut, so daß die Autos nun bevorrechtigt gegenüber der Keplerstraße durchrollen können. Mit großem Tamtam und Geigenrabatz inclusive feierlicher Banddurchschneidung, für den sich selbst seine Excellenz, der Herr Oberbürgermeister, nicht zu fein war, wurde das neu gestaltete Stück Straße als fertig dem öffentlichen Verkehre übergeben.
Und der Clou an der Sache?
Na, das Besondere war (und ist!), daß weder Radweg noch Fußweg fertiggestellt wurden.
Noch heute, bald zwei Monate nach dem offiziellen Scherenschnitt, zieren hübsche rot-weiß gestreifte Baken und leider von den üblichen unverbesserlichen Rowdies lieblos behandeltes Baustellenband den Rand der neuen Straße und lenken den Blick auf das fein säuberlich unfertig gestaltete Pflaster des Radweges.
Jeden Tag aufs Neue freue ich mich über dieses Geschenk und verneige mein Haupt in Richtung des direkt neben dem Schauplatz emporragenden Rathauses, um den Stadtoberen auf diese Weise meinen ganz besonderen Dank zu entbieten.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. martina

    Vielleicht sind ihnen die Steine – sowohl die einen als auch die anderen – ausgegangen? ;-)

  2. toby

    Oh ja, das hat mich auch schon fast zu einem leserbrief getrieben, diese Stelle!

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