Bahncard für das Kind

Im Januar wollten die großen Kinder mal spontan die Patentante besuchen. Da faßten wir uns ein Herz und dachten, das können sie ruhig mal allein mit der Bahn machen. Schließlich sind sie oft genug mit uns zusammen im Zug nach hier und dort gefahren und wissen, wie das geht.
Also bin ich zum Schalter im Bahnhof gegangen um für die Kinder Bahncards zu kaufen. Eigentlich davon ausgegangen, daß diese Kinderbahncards weitere Anhängsel zu meiner eigenen werden, wie schon die Gattinnenbahncard. Aber nein, belehrt mich die freundliche Bahnservicemitarbeiterin, das sei ja viel zu teuer für zwölfjährige Kinder. Da sollte ich lieber jedem eine von mir unabhängige Jugend-Bahncard kaufen, die koste einmalig 10 Euro pro Stück und gelte, bis die Kinder 18 seien. Als Anhängsel zu meiner Card würden sie stattdessen jedes Jahr 10 Euro kosten, 6 Jahre lang. Eine einfache Rechenaufgabe. Ich war sofort überzeugt.
Und damit nicht genug, machte sich die freundliche Dame sogleich daran, die umfangreichen Antragsformulare für beide Kinder weitgehend für mich auszufüllen. Lediglich die Namen durfte ich selbst schreiben. (Solcherart Service am Kunden ist in anderen Dienstleistungsbetrieben gar nicht mehr erlaubt, weil viel zu teuer. Und überhaupt!)
Zuguterletzt fehlten natürlich leider Fotos. Eine Jugendbahncard geht auch nur mit Foto. Das sei aber kein Problem, die könne ich nachreichen. Sprachs und drückte mir einen frankierten Briefumschlag in die Hand, adressiert an die Bahn. Da solle ich einfach irgendwelche Fotos, auf denen die Kinder erkennbar seien, rein tun, Namen auf die Rückseite und ab die Post.
Ich war geradezu gerührt.

Aber das wäre dann natürlich auch etwas zu einfach gewesen.

Die erste Bahnreise brachten die beiden natürlich problemlos hinter sich. Nicht einmal das dreimalige Umsteigen an so unwahrscheinlichen Orten wie Kreiensen (wo man von Gleis 2 nach Gleis 101b gehen muß!) oder Seesen brachte sie aus der Fassung.
Klappte alles prima.
Nur für den Papa war das zu schön. Der vergaß verdrängte darüber die Sache mit den Fotos. Erst jetzt, zwei Monate später, da die Tochter erneut verreisen möchte, da fällt es ihm wieder ein. Die Sache mit den Fotos.
Schnell lichtet er seine Sprößlinge ab, druckt hübsche Bildchen aus und überbringt sie höchstselbst (per Post dauert jetzt zu lange…) dem Bahnschalter, an dem er jetzt aber leider nicht dieselbe freundliche Servicedame erwischt, sondern eine andere, die den Vorgang deutlich kühler professioneller erledigt: die Mappe mit den unvollständigen Bahncardanträgen hat sie im Nu zur Hand (das komme öfter vor), auch meine beiden sind dabei, die Fotos, die etwas zu groß geraten sind, werden dran getackert. Und gut.
Ich frage freundlich stotternd, ob denn die endgültigen Bahncards nun wohl in zwei Wochen fertig würden, weil wir sie da bräuchten und weil die vorläufigen inzwischen abgelaufen seien. Das würde wohl nichts werden, erwiderte sie knapp. Das dauere für gewöhnlich drei bis vier Wochen. Deshalb gelten die vorläufigen Karten ja auch 2 Monate.
Das saß.
Ja, aber. Dann hätten wir in 2 Wochen ja gar keine Bahncards. Stimmt, versetzte die resolute Dame, rechnete kurz etwas an ihrem Terminal und erläuterte mir dann, daß es sich aber auch nicht lohne, für diese geplante eine Fahrt noch einmal vorläufige Bahncards zu kaufen, weil die Preisdifferenz geringer sei als der Preis der Karte.
Toll, ja, danke. Sagte ich, immer noch mit leicht schlechtem Gewissen, weil ja schließlich ich die Sache mit den Fotos und der Frist und all das – vermasselt hatte.

Aber das war es dann noch lange nicht.
Nein nein. Heute nämlich bin ich also wieder zum Bahnhof. An den Schalter: eine Fahrkarte für das große Kind kaufen. Dann eben ohne Bahncard, denke ich. Züge, Verbindungen, Preise – all das habe ich mir schon rausgesucht und bestelle es bei dem netten jungen Herrn sehr zielgerichtet. Der tickert das ein in sein Terminal, ich gucke so seitlich auf den Schirm, will ihm gerade auch noch den Preis diktieren – als mir auffällt, daß ich voll im Tran Preise für Bahncard-Nutzung rausgesucht habe.
Nun wird der aufmerksame Bahnservicemitarbeiter hellhörig. Doch mit Bahncard? Naja, druckse ich dann rum. Eigentlich ja, aber – und erzähle die kürzestmögliche Fassung dessen, was ich in dieser Sache hinter mir habe. Vor allem erläutere ich den aktuellen Status.
Ja, aber, sagt er, greift zum Telefonhörer und ruft, während er mir freundlich zunickt, die Bahn-Hotline an, gibt cirka drei bis fünfmal den Namen meiner Tochter durch, vorwärts und rückwärts buchstabierend, das Geburtsdatum mit und ohne Quersumme – und dann, nach einiger Zeit, drückt er mir den Hörer in die Hand und ich darf dann die Prozedur noch einmal wiederholen, erzählen, was es zu erzählen gibt. Die Dame am andern Ende der Leitung erklärt mir, das sei ja alles kein Problem, sie finde zwar weder meine Tochter noch mich in ihrem Computer, aber das sei manchmal halt so. Da solle ich mir mal keine Sorgen machen. Sie habe jetzt ja meine Daten und werde das ganze in Gang bringen. Und jetzt werde sie mir erst mal eine Auftragsnummer geben und damit könne ich mir aus dem Automaten eine Bahncard ziehen, eine weitere vorläufige – und den Versand der endgültigen, den werde sie jetzt auch mal forcieren. Einen Moment, bitte.

Ein Moment, den sie mit Pausenmusik füllt.
Ein Moment, in dem ich dem freundlichen Mann am Tresen bedeute, er könne also die bereits eingetickerte Fahrkarte noch mal auf Bahncardnutzung ändern, was er erfreut tut.
Ein Moment, in dem ich staune und staune, was alles geht.
Es gab Zeiten, da wäre man bei solcher Gelegenheit an den Rand des Schalters geschoben worden, um dort endlose Formulare und Anträge auszufüllen, während der Schalterbeamte zwischenzeitlich sieben andern Fahrgästen unfreundlich und rechthaberisch Fahrkarten gedruckt und ausgehändigt hätte. Wo man sich als unterprevilegierter Bittsteller gefühlt hätte und vor Scham am liebsten in der Ecke verschwunden wäre.

Doch heute? Dieser Moment war ein erhebender. Ich hätte den Mann gern umarmt. Nagut, sowas macht man ja nicht, hierzulande. Aber einen etwa gleichwertigen Blick von mir hat er dann schon gekriegt. Das mußte einfach. Woraufhin er mir noch strahlend einen schönen Tag wünschte und erklärte, an welchem Automaten ich wie diese Auftragsnummer eingeben müsse, die mir inzwischen telefonisch vermittelt worden…

Tja, und der Automat dann tat, was Automaten für gewöhnlich nicht tun.
Er wollte kein Geld. Er wollte keine Karte. Er wollte nur eine Nummer.
Und er gab mir dafür eine hübsche, frisch gedruckte weitere vorläufige Bahncard für meine Tochter, mit der sie nun für gut 6 Euro weniger zu ihrer Patentante reisen kann.

Die besten Märchen passieren hin und wieder im wirklichen Leben.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Sigurd

    Tja, früher hieß es, wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Bei der DB AG heißt es heute, wenn einer eine Reise tun will, dann kann er was erleben. ;-)

  2. CeKaDo

    Die Zeit der Muffelköppe scheint bei der Bahn langsam wirklich vorüber zu sein. Hoffen wir, daß auch der Rest des Öffentlichen Dienstes bald soweit ist!

    Übrigens zahle ich für die Anhängsel-Bahncard25 meines Kindes nur 5 Euro mehr. Und sinnigerweise habe ich mit ihrer ersten Ferienfahrt zur Mutter eine Preisersparnis dank Bahncard plus Sparpreis 50 durch rechtzeitige Internetbuchung erreicht, die meine Bahncard25 finanziert hat :))

    So liebe ich das. Wird Zeit, daß ich endlich mal wieder nach GÖ oder H komme. Fällt mir grad so ein.

  3. CeKaDo

    Warum nur habe ich mich damals dagegen entschieden? Ich weiß es nicht mehr. Alzeheimer junior? Ich werde das jetzt mal zum Anlaß nehmen und den Kontakt zum Sevicecenter erneuern. Danke :)

  4. Berlin eastside

    @ Carsten: Wahrscheinlich , weil es diese Jugend BahnCard seinerzeit noch überhaupt nicht gab :)

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