Jungs und Kommunikation

Heute, wo es vorbei ist, wo ich die Entspannung danach leider ohne die gewünschten drei Damen erreichen mußte (einfach mal 8 Stunden geschlafen, hatte auch was…), kommen so ein paar schwierige Gedanken hoch: warum sind zehnjährige Jungs nicht in der Lage sich gewaltfrei mit einander zu beschäftigen? Warum können gleichaltrige Mädchen das sehr wohl: diszipliniert sogar und beeindruckend harmonisch?
Den Nachmittag verbrachten wir mit Kegeln, auf eigens gemieteter Bahn. 7 Mädchen gegen 7 Jungs. Die Mädchen gewannen zwei Runden klar. Dann 1 gemischte Runde, die beide Parteien im Nachhinein als weniger schön betrachteten.
Auf dem Nachhauseweg eine kleine Schneeballschlacht. Zwei drei Jungs meinen, sie müßten andauernd mir Bälle an den Kopp werfen. Eine Zeitlang lasse ich mich bewerfen, dann werfe ich gezielt zurück, schließlich verbitte ich es mir. Die zunehmende Aggressivität (auch meine eigene) schafft mich.
Die Mädchen halten sich fast vollständig raus, werfen nicht, ziehen sich einfach zurück.

Zuhause Abendessen. Drachenblut wollen alle trinken, Pommes essen natürlich auch. Erst beim Eis allerdings gibt es Drängeln, wenn auch sehr gesittet. Hände werden gehoben, mit Fingern geschnippt, ich ich ich gerufen. Die gute schulische Sozialisation.

Und zum Ende hin gehen die Mädchen ins Mädchenzimmer und die Jungs in Jungszimmer.
Die Mädchen spielen, die Jungs verwüsten das Zimmer, bis der Sohn kurz vor der Verweiflung um Hilfe bittet.
Ich eile hin, finde ihn dort mit 1 Jungen Schach spielend, während die andern 5 drum rum lungern und nicht nur Maulaffen feilhalten, sondern eben auch Blödsinn machen: die Lego-Eisenbahn entgleisen lassen, mit irgendwelchen Sachen werfen, Armbrust schießen, Regale ausräumen.
Alle Vorschläge, noch ein gemeinsames Spiel auf die Reihe zu bringen, versacken in demotivierter Abwehrhaltung. Nö, keine Lust!
Ich versuche meinem Sohn klar zu machen, daß er 6 Freunde zu Besuch hat und dann nicht nur mit 1 Schach spielen und die anderen sich selbst überlassen kann.
Doch die Situation läßt sich nicht retten. Die Jungs wollen nicht – und ich kann nicht. Ich bemerke rasch wachsende Ungeduld und meinerseits Aggression. Warum sind die so blöd?! Zum Glück werden sie kurz darauf von ihren Eltern abgeholt.

Heute Morgen fiel mir einer meiner eigenen Kindergeburtstage ein, der erste, den ich ausdrücklich ohne Elternzutun „feiern“ wollte. Es waren drei oder vier Stunden extrem lautstarkes Chaos. Ergebnis: 1 völlig verwüstetes Zimmer, 1 kaputtes Bettgestell (zerbrochen) und 1 völlig demoralisiertes Geburtstagskind.
Ich ging also hin, ans Bett meines Sohnes, nahm ihn in den Arm, drückte ihm mein solidarisches Verständnis aus und sagte ihm: „Das wird wieder besser, in spätestens zwei drei Jahren, wenn ihr wieder gern mit Mädchen zusammenfeiert. Mit Musik und mit Knutschen.“
Er grinst mich geniert an, steckt den Kopf ins Kopfkissen – ich drücke ihn noch mal und sage: du wirst schon sehen…

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. ttt

    Sicher gab es das auch schon bei uns als Kindern, aber trotzdem ist doch eine deutliche Tendenz erkennbar, dass Jungs immer weniger mit den „üblichen Lebensumständen“ klarkommen. Zumindest in der Schule wird das immer deutlicher: Die Mädchen hängen die Jungs immer mehr ab. Die können sich arrangieren mit den Umständen, die Jungs peilen es nicht.
    Woran mag es liegen? Sind es die Testosterone, die keine Aufgabe mehr haben und deshalb „unglückliche“ Verhaltensweisen hervorrufen? Ist es die Feminisierung der Gesellschaft (Von der Geburt bis zur Ausbildung/Uni werden Jungs fast nur von Frauen beeinflusst. Männer haben mit Erziehung und Schulausbildung nur noch wenig zu tun (natürlich gibt es Ausnahmen). Das, was eigentlich positiv sein könnte, weil Frauen das Leben ja meist oft besser im Griff haben, erweist sich bei Jungs möglicherweise als verheerender Fallstrick, weil sie eben doch die männliche Eiche brauchen, an der sie sich reiben können.
    Vielleicht ist das eine Erklärung, vielleicht ist sie viel zu kurz. Und wenn, was folgt daraus, wo führt es hin (Aber das frage ich mich im Moment bei sovielen Dingen…)

  2. kinky

    Zu den Jungs gibt’s ein schönes Buch von Neutzling und Schnack: Kleine Helden in Not. Das ist zwar von 1990, aber ich find’s immer noch recht aktuell.

  3. grapf

    Was steht’n da drin, liebe Frau kinky? So tenormäßig oder was für ne Art von Buch ist das? *interessiert guck*

  4. grapf

    Ihnen, Herr ttt, vielen Dank für diese ausführliche Einlassung. Im meisten haben Sie, fürchte ich, recht. Aber vor den Schlüssen, die man daraus ziehen kann / soll / muß, gruselt es mich irgendwie.

  5. kinky

    Das ist ein Sachbuch über die Sozialisation von Jungs, warum sie (angeblich) immer laut, stark bis gewalttätig und dominant sein müssen. Es ist ein tolles Buch für erwachsene Männer, die sich darin ganz sicher wiederfinden. Mein Vater hat es mir mal gegeben, als ich angefangen habe mit Kindern zu arbeiten und darin hab ich dann nicht nur viele Verhaltensweisen der Jungen entdeckt, sondern (natürlich) auch die der Männer, die ich so um mich herum habe.

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