Traum-Sonntag

Morgens dichter Nebel, der an den Bäumen und den Pflanzen gefroren ist und alles mit einer dicken Schicht Zuckerguß überzogen hat. Während wir durch die Feldmark laufen, dringt allmählich die Sonne durch die weißen Schleier und erzeugt gerade in den vereisten Bäumen bizarre Gespensterbilder. Faszinierend auch das Windrad im Nebel, das von hinten beleuchtet einen Riesen-Schatten auf mich wirft.
Es fällt schwer überhaupt wieder reinzugehen.
Nachmittags mache ich eine Radtour zum Wendebachstausee. Die Luft ist kalt und ein klein wenig feucht. In ungünstigen Lagen ist der Rauhreif den ganzen Tag liegen geblieben, in einem Seitental des Wendebachs hängt sogar noch ein Nebelschweif. Der Sonnenuntergang färbt den ganzen Westhimmel in kitschige Farben. Die kahlen Bäume davor sorgen für kalte Finger, weil ich die Knipse nicht aus den Händen legen kann.
Ach ja!

Meta-Gedanken

Morgens zwingt mich meine Gattin, noch während ich Zucker und Milch in meinen Kaffee rühre, aufzustehen, hinaus zu eilen in die Kälte und den Kücheneimer zur Mülltonne zu bringen, weil gerade die Abfuhr anrollt.
Im Anschluß schlägt sie mir vor, diesen empörenden Vorfall doch mal gleich zu bloggen. Worauf ich entgegne, ich hätte gar kein Blog mehr. Warum nicht, fragt sie. Keine Lust mehr, antworte ich. Nicht so ganz wahrheitsgemäß. Das bißchen, was es noch zu sagen gebe, das lande jetzt bei facebook oder google+.

Sie, die jahrelang meine Intention zu bloggen nicht verstand, stimmt jetzt völlig mit mir überein, daß diese Entwicklung eine sehr traurige ist. Auf das Datenkrakenwesen der beiden genannten Anbieter will ich hier jetzt gar nicht abheben. Mehr geht es mir um den Verlust an individuellem persönlichen Engagement, das in privaten Weblogs zum Ausdruck kommt. Oder kam.

Es ist natürlich so viel einfacher, sich in die fb- oder g+-community einzuklicken, sofort alle eminent wichtigen Neuigkeiten der zahlreichen Freunde lesen und mit klugen Worten kommentieren zu können, als sich durch die Blogroll eines eigenen Weblogs zu klicken, womöglich mehrmals seinen Nick und die Mailadresse eingeben zu müssen, um am fremden Ort fundierte Meinungen hinterlassen zu können.
Während ich mich jede Woche aufs neue mehrmals täglich frage, ob ich meinen fb- oder g+-Account nicht wieder löschen soll, weil mich das überwiegend oberflächliche Blabla dort nur nervt. Ständig darüber nachdenken zu müssen, ob meine Privatheits- und Datenschutzeinstellungen noch sicher genug sind, fördert die Motivation, dort irgendwelchen relevanten Inhalt zu hinterlassen, auch nur sehr marginal.

Und daß wir hierzulande via genannter Internetgemeinden oder Twitter gesellschaftliche Bewegungen so organisiert kriegen, daß sich die Verhältnisse entscheidend ändern, daran glaube ich nicht. Dafür geht es uns viel zu gut.

Wie nun also?
Ich sitze hier und sinne nach.

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch
  • Beitrags-Kommentare:5 Kommentare

Hochzeit H & A

Wir sind zur Hochzeit eingeladen. Die Fahrt durch totales Scheißwetter dauert dreieinhalb Stunden, weil wir einem Stau auf der Autobahn entgehen und dann aber endlos durch die Heide juckeln müssen. Wir kommen um viertel vor zwei auf Gut Thansen an, bringen das Gepäck ins Zimmer und dann gehts auch schon gleich los.
Kurze Besprechung mit dem Bräutigam, Fahrt zur Kirche, Kamerataschen abladen, Location inspizieren, Licht testen und anfangen zu knipsen. Während des Gottesdienstes voll konzentriert und angespannt und aufgeregt, danach wird es allmählich lockerer, vor allem nach 2 Glas Sekt beim Steh-Empfang wieder auf dem Gut, wo es aufklart, zeitweise richtig schön die Sonne scheint und unheimlich nette Atmosphäre ist. Ich fühle mich sehr wohl. Es macht Spaß all die Leute da zu photographieren, auch ganz direkt und mit Ansage.
Nach einer kleinen Verschnaufpause auf dem Zimmer geht es mit dem Abendessen weiter, das sich über einige Stunden hinzieht, durch eine sehr bewegende Klezmer-Einlage zweier sehr frauenbewegter Troubadouras unterbrochen wird und dann kurz vor Mitternacht in den Tanzabend übergeht. Bis zum Ende um halb vier sind wir dabei. Und ich hätte auch noch länger durchgehalten, so sehr hat es mir Spaß gemacht. Tanzen ist immer wieder mein Ding. Gerade auch, wenn freies, wildes Tanzen möglich ist…
Ein sehr erfüllter Tag. Nur Schlafen danach geht irgendwie nicht. Zu durchgekallt oder was auch immer.
Um halb zehn steh ich wieder auf, duschen und so weiter, dann Abschiedsfrühstück, etwas chaotisch, nicht so richtig nett und gemütlich und dann auch rasche Abfahrt. Jetzt bei herrlichem Sonnenschein nach Celle, zu Fönks. Dort Sachen abladen, die wir nicht mehr haben wollen, Kinder besichtigen, Essen, bißchen klönen und dann auch ab nach Hause. Auf einer Raststätte muß ich ein Zehnminutenschläfchen einlegen, was sich schon in Frankreich bewährt hatte. Danach gehts besser weiter und schnell nach Hause.

Reiselust

Morgens beim Laufen durch den Blütenstaub (wird es wohl je wieder regnen?) denke ich noch, daß ich eigentlich ganz schnell wieder nach Paris möchte.
Aber wenn ich das lese, dann vielleicht doch erstmal nach Ägypten?

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Ostersonntag


Schnell die Eier suchen, ehe sie in der Sonne schmelzen.


Und danach gerecht t-Ei-len!


Zum Ausgleich dann den Garten mit dem Fußball verschönern


Mittagessen auf dem Hochsitz Picknick


Die Pusteblumen wollen noch nicht wirklich gepustet werden, zum Glück!


Der junge Waldläufer

Frustrierender Morgen

Mit den Kindern war das sogenannte Frühstück mal wieder eher demoralisierend. Keiner kümmert sich um irgendwas. Die Großen kommen nach viertel nach sieben für 3 Minuten an den gedeckten Tisch, Kind2 läßt sich dann auch noch am Tisch drei Dinge nacheinander anreichen, sie fassen Essen, verschwinden wieder, räumen unter Murren ihre Brettchen nebst Besteck auf die Spülmaschine (und nicht hinein), machen derbe Krach im Treppenhaus trotz mehrfachem Hinweis, daß die Mama schläft, und sie kümmern sich nicht um ihre Karnickel.
Wenn es ja nicht fast immer so wäre. Und wenn sie einem nicht immer noch das Gefühl gäben, ich selbst wäre im Unrecht, weil ich das moniere.

Ich hab echt die Nase voll. Oder wie Kind1 sagen würde: ich bin angepißt.

Ziele für dieses Jahr

Bremerhaven
Leipzig
Hannover
Dresden
Berlin
Paris
Marseilles
Genua
Damaskus
Constanta
Porto

(edit 8.1.:)
Bonn
Lissabon

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch
  • Beitrags-Kommentare:5 Kommentare

Sylvester


Nach dem morgendlichen Brötchenholen bei zwei verschiedenen Bäckern besuche ich im weiteren Verlauf noch 2 Aldi-Märkte, 1 Tegut und 2 Rewes, bis endlich alles zusammen ist, was man üblicher- und zweckmäßigerweise für das Überleben so eines endlosen Sylvester-/Neujahrswochenendes benötigt. Die Gattin staunt, wie gelassen ich das hinnehme. (Ich auch.)
Mir fehlt dabei ein bißchen die Gelegenheit zum vor mich hin Träumen und gute Vorsätze fassen. Aber zwischen den noch anstehenden Vorbereitungen für den Abend, dem Einsetzen der alljährlichen Fernsehprozedur und dem Abböllern im Nieselregen auf Schnee ergibt sich ja vielleicht die eine oder andere Schrecksekunde, in der ich die Höhen und Tiefen von 2010 mal eben Revue passieren lassen und mich auf die Highlights von 2011 freuen kann.
Jedenfalls endet dieses Jahr (bis jetzt) mit einem guten Gefühl. Wenn das nächste so anfängt, gibt es nur Gründe, laut und vernehmlich Danke zu sagen.

Im Schnee unterwegs


Mit dem Rad fahren ist in diesen schneereichen Tagen nicht nur kein Vergnügen, sondern einfach auch gefährlich. Die Radwege werden nicht mehr geräumt, da fühlt sich die Stadt entweder nicht mehr zuständig oder es mangelt an Geld oder Material oder gar Personal oder beidem –
Also Bus fahren. Kann man machen. Aber Spaß macht das bestimmt nicht. Die meisten Bus-Linien fahren in Göttingen nur alle halbe Stunde. Wenn man das also nicht einigermaßen genau abpaßt, steht man unter Umständen lange dumm rum und wartet. Und fängt an zu frieren.
Also gehe ich zu Fuß. Und entdecke gar nicht unbedingt die Freuden der Langsamkeit oder dieser neumodischen „Entschleunigung“ (blödes Wort ja übrigens), sondern Freude an anderer Bewegung als sonst und an Einblicken, die ich beim schnellen Vorbeiradeln nie wahrnehme. Das macht richtig Spaß.

Mehr Winter, bitte!

Nachts scheint der Mond auf den Schnee und hüllt alles in einzigartiges Licht, wirft lange blaue Schatten und verteilt knackende -17° auf die Stadt und über das Land. Die Heizung würde kochen, wenn man den Regler nicht etwas runterdrehte. Eigentlich habe ich Lust jede Menge Photos zu machen, aber da würden mir dann vielleicht doch die Finger etwas zu steif – oder wahrscheinlicher: der Akku der Kamera schlapp machen.
Morgens ist es deutlich wärmer: angenehme -11°. Und: es schneit wieder.
Mit dem Fahrrad schliddere ich über all die nicht geräumten Rad- und Fußwege, neben mir der Autostau im frierenden Stillstand. Kleine scharfkantige Flocken treffen zwischen Kapuze, Stirnband und Schal mein Gesicht. Alle paar Meter muß ich anhalten, meinen rechten Handschuh ausziehen, die Knipse aus der Brusttasche zerren und knipsen. Ich bin völlig begeistert.

So darf es bitte weitergehen!

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch
  • Beitrags-Kommentare:4 Kommentare

wofür es sich lohnt

Früh aufstehen ist oft schweineschwierig. Im Winter im Dunkeln ganz besonders. Und nach knapp 6 Stunden Schlaf – huuuh!
Aber dann auf tief verschneiten Wegen laufen, den Geruch nach klarer Kälte und Schnee in der Nase, die Ruhe in der Stadt vor dem Einsetzen des Berufsverkehrs, nicht einmal Schneeräum-Mafia unterwegs.
Und schließlich Dehnübungen auf Isomatte im Schnee und direkt über mir der Große Wagen, rechts darunter funkelnd Arcturus, hinter mir ruht majestätisch der Löwe und überm Dach des Nachbarhauses strahlt Venus.
In so einem Moment ist es gar nicht kitschig, wenn dann auch noch durch den Großen Wagen eine kleine Sternschnuppe huscht – und mir spontan ein Wunsch dazu einfällt.

Schnell unterwegs

Ist doch schon sehr genial, in einem bequemen schnellen Zug zu sitzen, Oceansize zu hören und Berlin entgegen zu brausen. Derweil die Landschaft draußen blau vorbei schneit. Der ICE fährt über Hannover, aber ohne da zu halten. Nächster Halt erst Spandau. Warum Hannover?!

Sehr ruhige Stimmung im Wagen. Wir sind pünktlich, während alle andern Züge weit und breit fett Verspätungen haben. Wie ausgenommen aus dem normalen Ablauf des Universums.

16:38 und fast ganz dunkel.
Draußen etwa -8 Grad und sehr eisiger Wind.

Ich hoffe, es wird so romantisch in Berlin wie die Musik, die ich höre. Dunkel mit Lichtern. Kalt mit vielen Wärmepunkten und berührenden Blicken. Und ein paar fetzende Photos möchte ich machen.

20 Minuten vor Spandau bleibt der Zug stehen. Die engagiert klingende Lautsprecherstimme sagt, es gebe einen noch unbestätigten Personenschaden im Streckenabschnitt vor uns. Sobald sie über weitere Informationen verfüge, werde sie.
Ein Raunen geht durch den Wagen, fast alle Reisenden haben auf einmal ihr Handy am Ohr und geben die unbestätigte Nachricht weiter – als unkonkrete Verspätungsankündigung.

Die Heizung bleibt laufen, die Stimmung aber ist umgeschlagen. Obgleich es für niemanden etwas zu tun gibt, wirken alle plötzlich hektisch. Obwohl die Fahrt ja länger als vorgesehen dauern wird, scheint sich jeder jetzt beeilen zu müssen. Womit? Wofür?
Ich habe keine Geduld mehr Musik zu hören.

Den Hauptbahnhof erreicht der Zug mit einer dreiviertel Stunde Verspätung. Ich habe trotzdem unmittelbaren Anschluß an das S-Bahn-Chaos der Hauptstadt, das mich nicht davon abbringen wird, den Schnee und den Glanz des Vorwhynachtlichen in vollen Zügen zu genießen.

Sonntagslauf

Seit wenigstens 3 Jahren laufe ich erstmals wieder deutlich mehr als 10km. Dazu auch noch ordentlich den Berg hinauf, über Diemardener Warte in den Wald hinauf und dort weiter bis zum Kerstlingeröder Feld, auf dem ich noch eine kleine Runde drehe. Ich staune über die vielfältige Blütenpracht, die mir an den Wegrändern und im Gras entgegen leuchtet. Und ich staune über meine Kraft und Ausdauer, das Gefühl bis in die Haarspitzen mit Energie voll getankt zu sein. Als ich nach etwa 14 km und knapp anderthalb Stunden wieder zuhause ankomme, brummt alles in mir, ein geniales Gefühl. Könnte ich öfter haben!

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Berlin im August 2010

Die körperlichen Malaissen, insbesondere mein noch immer verknackstes ISG (Kreuz!) sind von Anfang an eine Hypothek. Auch verdauungsmäßig ist es nicht so einfach.
Aber das größere Problem ist, daß mir gefühlsmäßig der innige Draht zu Berlin irgendwie abhanden gekommen ist.
Diesmal bin ich in Friedrichshain im Gold Hotel am Wismarplatz, habe dort ein nettes kleines Zimmer im 5.OG mit schönem Blick auf ein riesiges ruhiges Hinterhof-Areal. Ich kann da mühelos ohne Stöpsel schlafen. Das Bett tut meinem Rücken gut.
Ich laufe auch einige Zeit am Ostkreuz rum, wo es sich seit März nicht groß verändert hat. Die Südbrücken-Relikte stehen noch genauso wie die alte Brücke überm Eingang Sonntagstraße. So gibt es tatsächlich immer noch alte Bildperspektiven und somit quasi Bezugspunkte. Auch auf Bahnsteig D gibt es noch einzelne Blickwinkel, die einen beinahe ignorieren lassen, was schon alles fehlt.
Aber es fehlt halt doch. Das unbeschwerte Rumflanieren auf dem alten Ringbahnsteig, auf A oder auch auf D und E, wo man aus jeder Perspektive immer so schön Leute photographieren konnte, das geht einfach nicht mehr.
Das Leute Photographieren ging aber auch sonst nicht. An der Warschauer Brücke habe ich quasi kein einziges Bild gemacht. Und in den Straßen von F’Hain oder Neukölln ist es mir auch nicht gelungen, meine Bilder mit Personal auszustatten. Mir fehlte der Mut und die entsprechende Verfassung.
Am Freitag Abend bin ich nach dem Hotel-Einchecken erst mal in der Sonntagstraße Pizza essen gegangen, dann im einsetzenden Nieselregen Spaziergang auf die Neue Kynaststraße neben das Ostkreuz, dann in den Kaskel-Kiez, wo es cool aussieht, über den guten alten Nöldner-Platz weiter noch in den Weitling-Kiez. Da scheint es im Dunkeln immer noch so auszusehen wie vor 12 Jahren. Was ich irgendwie sehr positiv finde. Das Wetter macht es aber leider so ungemütlich, daß ich von einem längeren Rundgang absehe. Während ich gerade eine sehr lauschig altmodisch spießige Eckkneipe photographiere, telefoniere ich ganz reizend mit Elisa, die von Klassenfahrt zurück ist. Das ist schön!
Mitten auf den schönen Bahnsteig des Nöldnerplatzes hat die DB einen protzigen und häßlichen Verkaufscontainer gestellt, der die Atmosphäre des Bahnhofs mehr oder weniger zerstört. Für sowas haben sie ja ein unüberbietbares Talent.
Dann zieht es mich irgendwie noch zur U1, um zur Kurfürstenstraße zu fahren. An der Warschauer Brücke kaufe ich mir ein Staropramen, zische es weg und versuche ein paar wartende Damen abzulichten, bin aber zu schisserig dabei. Das wird einfach gar nix.
In der U1 ist es nett, gibt wie immer wirklich viel zu sehen. Aber leider fährt sie nur bis Möckernbrücke, danach ist Ersatzverkehr. Und darauf hab ich keinen Bock. Also fahr ich einfach wieder zurück und latsche von der Warschauer durch die Partymeilen von F’Hain zum Hotel zurück. Bin sehr erstaunt, wie sich F’Hain verändert hat. Nicht nur, daß überall Partymeile ist, auch die Geschäfte! War die Warschauer Straße früher ein Sammelsurium von Ramschläden, die sicher oft von Russen betrieben wurden, so ist jetzt jeder dritte Laden ein Kiosk bzw Spätkauf, dazwischen schicke Läden und natürlich Internetcafés – wer immer sowas noch braucht…
In den Kneipen sitzen die Leute alle draußen. Entsprechend laut ist es in den Straßen, ganz besonders natürlich in der Simon-Dach-Straße, die ich seit 10 Jahren kenne, die damals die einzige Straße war, in der man ausgehen konnte. Heute ist sie dafür immer noch Hauptstraße und Mittelpunkt und offenbar Paradigma, da ähnliche Kiezwandlungen in anderen Stadtteilen mittlerweile danach benannt werden: Simondachisierung

Samstag
Der Frühstücksraum im Gold Hotel ist etwas zu klein. Von den Gästen bin ich der zweitjüngste. Es könnte etwas mehr Obst geben, ansonsten ist am Frühstück nichts auszusetzen. Für 5 Euro schon mal gar nicht!
Vormittags streife ich durch Friedrichshain und entdecke viele photographierenswerte Kleinigkeiten, fahre dann von Warschauer Straße über Ostkreuz nach Karlshorst, BBhf Rummelsburg und zurück und nochmal los nach Baumschulenweg, wo ich auch ein bißchen rumlaufe. Den Bahnhof renovieren sie tatsächlich sehr liebevoll, bauen viele Details der alten historisierenden Architektur wieder mit ein. Wird sicher mal richtig schön in ein paar Jahren…
Von dort dann mit der S-Bahn nach Hermannstraße und mit der U8 bis Boddinstraße. Ich suche die Flughafenstraße, um ein altes Photo von 1980 wiederholen zu können. An der U-Bahnstation scheine ich unmittelbar schon richtig zu sein. Die Kreuzung Flughafenstr/Hermannstr hat sich in ein paar Details in den 30 Jahren dann doch so verändert, daß ich sie eigentlich nicht wiedererkenne. Aber natürlich ist auch die Jahreszeit eine andere – und alles Zubehör, die Autos zum Beispiel und die Reklame an den Häusern… All diese Riesenwerbeflächen, man hat sich inzwischen so dran gewöhnt. 1980 gab es sowas einfach nicht.
Ich laufe dann noch paar Meter weiter runter bis in die Reuterstraße. Gefällt mir gut dort der Kiez. Etwas sehr rein türkisch geprägt zur Zeit, aber dadurch natürlich auch sehr lebendig.
Mit der U8 weiter zur Hermannstraße, dann S bis Südkreuz und von dort weiter nach Norden bis Wollankstraße, wo ich in die S1 bis Wittenau umsteige.
Mittagessen bei Hildi und seiner Familie. Sehr nett und lieb alle, entzückende Kinder.
Dann los mit Hildi in den Prenzlauer Berg. Von Bornholmer Straße laufen wir übern Schwedter Steg und druch die Kopenhagener Straße zum Lichtmal, wo wir einen leckeren Cappucino trinken. Weiter über Schönhauser und Eberswalder bis Mauerpark, isses aber nich so da, deshalb mit Tram und U2 zum Gleisdreieck, wo ich eigentlich gern auf „das Gelände“ würde. Es ist aber eigentlich schon zu dunkel dafür und ich finde den Einstieg auch nicht mehr. Deshalb weiter mit der U1 zum Görlitzer Bahnhof und die Oranienstraße rauf und runter. Lichter photographieren. Und blaue Stunde.
Dann wirklich gut essen im Shanti. Dabei wird mir allmählich sehr kalt. Und irgendwie ist es dann auch ganz schnell Mitternacht und wir gehen zurück zur U-Bahn. Ich bringe Hildi noch zum Kotti, fahre dann zur Warschauer und mit der S-Bahn zum Ostkreuz und streife noch durch die dunklen Straßen von F’Hain. Ist schließlich schon wieder mein letzter Abend in Berlin. Ich mag noch nicht ins Hotel. Aber so allein inmitten der Partygeräusche ist es dann doch nicht so richtig nett.

Sonntag
Das Frühstück ist definitiv unangenehm. Der Frühstücksraum ist proppenvoll und die Rentner heute irrsinnig laut. Man kann seine eigenen Gedanken nicht mehr verstehen. Vor allem so eine mit holländischem Akzent ratschende graue Tante hinter mir macht mich völlig kirre.
Ich beeile mich da wegzukommen, mache dann ein paar schön depressive Regenfotos an der Boxhagener Straße und fahre zum Ostbahnhof, mich von Teilen meines Gepäcks zu entledigen. Im Ostbahnhof haben sie angefangen den „Ost-Tunnel“ zu sanieren, wo die Gepäckaufbewahrung ist. So kann man dort schöne Umwege latschen.
Dann mit Bus zum Bethaniendamm, wo ich den Anschluß-Bus verpasse. Im Regen latsche also zu Fuß die endlose Köpenicker Straße entlang, weiter die Schlesische, dann am Heckmann-Ufer, über die Görlitzer-Eisenbahn-Brücke rüber nach Alt-Treptow, die Lohmühlenstraße bis zur Brücke nach Neukölln, das Maybach-Ufer weiter, in die Pannierstraße, über die Sonnenallee rüber bis zur Reuterstraße und diese bis zur Flughafenstraße, darauf weiter zum Columbiadamm und dann hinein in die Fontane Straße, Schillerpromenade, Selchower Straße und Mahlower Straße. Was für ein Kiez dort. Beeindruckt mich immer wieder!
Aber nach dieser endlosen Latschnummer (ca. 6 km) hab ich auch erstmal genug. Ich fahre mit U8 direkt zum Rosenthaler Platz, wo das neue Hotel zwischen Brunnenstraße und Weinbergsweg zumindest als Gebäude fertig ist. Damit hat dieser Platz natürlich sein Gesicht sehr deutlich verändert. Er ist nun verdammt modern. Oder sollte man sagen: beliebig? Er wird halt nur noch geprägt von Kommerz und Verkehr – nicht mehr vom Flair einer im Wandel befindlichen Mitte. Das zeichnet sich schon seit Jahren ab, klar. Aber schade ist es immer noch. Was wird wohl aus all den Hotelbetten werden, wenn Berlin mal nicht mehr Europäische Partyhauptstadt ist? Und die wird es ja vermutlich nicht mehr lange bleiben, wenn das Flair weiter so vernichtet wird wie in den letzten 10 Jahren.
Ich laufe den Weinbergsweg hinauf, kehre in der Kastanienallee bei einem Libanesen ein, esse dort wirklich äußerst lecker bei zu lauter Musik und werfe im Anschluß einen Blick in die Oderberger, die nun saniert werden soll. Der Straßenbelag soll denkmalgerecht aufgearbeitet werden. Die kriegens schon richtig gut da, die Oderberger. Man riecht förmlich, wieviel Geld da inzwischen sitzt.
Auf dem Flohmarkt am Mauerpark erwische ich eine regenfreie halbe Stunde, muß mir schon viel Mühe geben, nicht in eine der vielen Riesenpfützen zu treten, bleibe bei 3 Ständen stehen, wo es künstlerische Berlinfotos zu gucken gibt. Die gefallen mir aber alle nicht wirklich. Ob ich mich da mit ein paar meiner Bilder mal hinstellen sollte? Ich würde es wahrscheinlich nicht lange aushalten zuzugucken, wie die Leute ohne wirkliches Interesse meine Ständer durchblättern und wortlos weiterziehen. Wie das eben so läuft auf den Märkten. Und wenn jemand doch Interesse hat, dann muß allein schon aus sportlichen Ambitionen jeder noch so niedrige Preis weiter gedrückt werden.
Nee, das wär’s nicht. Zugleich sähe ich als Besucher gern viel mehr solcher Stände dort.
Mit der Tram fahre ich zur Warschauer Straße und von dort noch einmal zum Ostkreuz, schlendere ein paar Minuten auf dem Ringbahnsteig rum im Versuch, Leute unter den gewaltigen Wolkengebilden zu photographieren. Das wird aber nix. Hab nicht mehr die Geduld. Und die Kontraste sind zu heftig. Und mein Zug fährt bald.

Schon das 2. Gewitter der Saison

gewitter4
Bereits letzten Freitag ging in Göttingen beinahe die Welt unter, als nachmittags ein Gewitter über die Stadt zog und es binnen Minuten so dunkel werden ließ, daß die Straßenbeleuchtung anging.
Heute drehten wir im lauen Abendlüftchen noch eine Feierabendrunde um den Block, wippten und schaukelten in aller Ruhe auf dem Spielplatz, während sich am Südwesthimmel schon eine ansehnliche dunkelblaue Wolkenfront zusammenzog. Eine halbe Stunde später blitzte es in sehr schneller Folge und donnerte fleißig, während ich mit meiner Tochter am Fenster stand und mit ihr die Blitze um die Wette photographierte. Sogar mit der kleinen Lumix gelangen ihr ihre ersten Blitz-Photos.
Doch bald kamen die Einschläge so nahe, daß die Donnerschläge das ganze Haus erzittern ließen. Das wurde schon arg unheimlich und wir beschlossen das Fenster dann doch zu schließen.
Märzgewitter2

Von der Pflege abgeklärter Hoffnungen

Die letzten Stunden als fortysomething sind angebrochen. Viel Unbehagen und allerhand Angst wurden hin und her gewälzt. Aber auch wenn man es nicht wahrhaben will und sich fleißig in dem übt, was eh am besten klappt, dem Verdrängen halt, ändert es ja nichts.
Und spätestens übermorgen, denkt man, wird eh alles so sein wie vorher auch. Man wird älter, ist aber ja trotzdem nicht plötzlich auf einen Schlag alt.
Das Leben wird weitergehen, vermutlich.

Kontemplativer dürfte es ab und zu werden. Bereichernde Lektüre ist so schwer zu finden. Wenn aber doch, wie gut das tut! Juli Zehs Schilf letzten Sommer war wie eine große Einladung zurückzukehren in den Kreis der Buchleser. Der Schätzing’sche Schwarm, an dem ich seit Oktober knabbere, hält mich bei der Stange, vermag aber auch nicht mir mehr Lesezeit abzuringen als ehedem. Könnte also noch ein paar Jahre dauern, bis ich da durch bin. Wenn sich nichts ändert.

Was mir explizit fehlt, ist Jochen Reineckes Blog. Sein trockener, bissiger Stil und seine lebensnahen Geschichten habe ich äußerst gern gelesen. Damals. In der guten alten Zeit, als das Bloggen noch geholfen hat.

Und dieses Blog hier wird geschlossen, umbenannt, an andere Orte verschoben, mit Sichtschutz versehen und dann doch wieder geöffnet und zeugt damit treffend von der Unentschlossenheit und unklaren Perspektive seines Autors.

Vielleicht wird ja alles anders. Morgen.
Oder denn so.

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Nasse Luft

Seit 2 oder 3 Tagen taut es heftig. Die meisten Straßen und Wege sind auch wieder mit dem Rad zu befahren, was das Leben wieder einfacher macht. Damit einher geht eine unglaubliche Nässe allüberall. Gestern Abend schien alles zu dampfen, ähnlich wie Nebel und doch anders.
Heute Morgen hängen die Kirchturmspitzen in den Wolken, ebenso oberes Geismar und der Hainberg. Die Welt ist dunkelgrau mit einem ganz leichten Hang zum Blaugrau. Es wird kaum hell.
Aber wenn man gelaufen ist und die Endorphine sich im Körper verteilen, ist es deutlich weniger bedrückend als sonst, man ist sogar beinahe geneigt, es gemütlich oder romantisch zu finden.

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Knackende Kälte

Bei -17,5° auf gut 12cm hohem Schnee durch mondbeschienene Landschaft laufen.
Schwer zu toppen.

  • Beitrags-Kategorie:Tagebuch
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Baumsuche, reloaded

Am Mittag des Sylvestertages ging der Regen in Göttingen allmählich in Schnee über und blieb liegen. Abends war bereits alles weiß. Seit dem 2. Januar liegen Stadt und Land unter etwa 13 – 15 cm Schnee.
Schon Anfang letzten Jahres kam ich auf einer Fahrt durch’s Leinetal nicht nur auf die Idee sondern vor allem auf den Geschmack Bäume im Schnee zu photographieren. Einzelne, herausragende oder besonders Bäume.
Was mir im Feburar 2009 schon ansatzweise gelungen war, wollte ich heute noch einmal versuchen. Mit Herrn T ging es dafür auf Tour durch die südniedersächsische Toskana.
Es war sehr stimmungsvoll und so tief und schön verschneit, daß man stellenweise nicht mehr sehen konnte, wo die Straße entlang führt. Wären da nicht die Straßenrandanzeigestiele gewesen…

Aber Bäume, wie ich sie eigentlich suchte, fanden wir nicht. Nicht so ganz jedenfalls.
So geht es mir meistens, wenn ich etwas im Kopf habe, ein Motiv, schon geradezu plastisch vor Augen, auch Ideen, wo ich es finden könnte – die Umsetzung konkret vor Ort gestaltet sich fast immer ungeahnt schwierig.
Aber ich bleibe dran. Ich finde das Thema sehr inspirierend und werde es sicher immer wieder aufgreifen.

Gedenktag

Neunter November. Zwanzig Jahre ist es also nun her. Das historische Ereignis, bei dem die meisten Mitglieder meiner Generation wissen, was sie an dem Tag gemacht haben. Ich kann mich nicht so explizit dran erinnern. Ähnlich wie Herr Küppersbusch habe ich diesen Tag wohl verpennt. Wie auch die folgenden.
All diese Aufregung damals. Mir war das höchst suspekt. Das Wort „Wiedervereinigung“ allein schon konnte ich nicht aussprechen, ohne übel Sodbrennen zu bekommen. Es war einfach zu sehr von den Rechten und anderen reaktionären Kräften besetzt. Und von diesem Herrn Kohl natürlich. Und Genschman. Also indiskutabel.
1989
Was paradox war, weil wir Gorbi und Schewardnadse auf der andern Seite wirklich cool und sympathisch fanden.
Zugleich verharrte ich – nicht nur durch gewisse Durststrecken der eigenen Biographie – in so einem seltsamen Zustand der Lähmung. Ich wollte es nicht wahrhaben. Vielleicht. Und selbst wenn, was ging es mich an! Damals. Ich kannte keinen Bürger der DDR persönlich, hatte seit 1972 lediglich auf der Transitstrecke nach Berlin unfreiwillige Blicke in dieses immer graue und verwahrlost wirkende Land geworfen und lebte eigentlich mit der Vorstellung, daß die bewohnbare Welt etwa 20 km südöstlich von Göttingen aufhöre, ganz gut. Im Zonenrandgebiet zu wohnen hatte Charme. Es gab Strukturförderung, was zugleich bedeutete, daß es eigentlich keine Struktur gab, keine großen Wirtschaftsbetriebe, kaum durchreisenden Verkehr, wenig Aufsehen. Und daß hinter dem großen Zaun die Landkarte ausgegraut war, schaffte Behaglichkeit. Man mußte dort nicht weiterdenken.

Aus sicherer Entfernung und von hoher Warte den endlosen Trabbi-Schlangen zuzuschauen, die über den Grenzübergang Teistungen im Eichsfeld gen goldenen Westen tuckerten, um nach Abholung des Begrüßungsgeldes die Bananenbestände unserer Lebensmittelläden leerzukaufen, das war einfach nur surreal. Wie in einem abgedrehten Science-Fiction von Monty Python. Auch unsere erste Fahrt in den Nahen Osten, im geschlossenen PKW einreisend, mit mulmigem Gefühl den Reisepass den Grenzern entgegenhaltend, die gar nicht mehr stempelten, sondern nur noch durchwinkten. Winkten wie die Dorfbewohner im Eichsfeld, all die Kinder, die Girlanden über den Straßen („Willkommen Nachbarn!“), mitten im tiefsten und scheußlichsten Spätherbst. Zu Nieselregen (wie heute) und Braunkohlenheizungsausdünstungen. Als wir in Heiligenstadt ausstiegen und ein paar Schritte durch die graue Fußgängerzone machten, atmeten wir diese Gerüche ein, nahmen diese seltsame Stille wahr, diesen Stillstand in den Schaufenstern, der an Spielfilme aus der frühen Nachkriegszeit erinnerte, und fühlten uns buchstäblich wie nie zuvor im Leben. Seltsam berührt, angezogen von der Vorstellung, in eine Zeitmaschine geraten zu sei, und zugleich ratloser denn je. Es war ja total nett, daß die Bewohner der DDR uns als Nachbarn begrüßten. Aber was dann? Was sollte daraus werden?

Heute verspüre ich eine ähnlich Hemmung mich groß zu regen wie damals vor 20 Jahren.
Wie soll man sich auch äußern, wenn das kollektive Gedenken durch multimedialen Overflow in Bahnen gehypet wird, vor denen man sich sich erst mal nur in Sicherheit bringen will. Denke ich vielleicht, weil ich heute genauso wenig drin vorkomme wie 1989. Mit der Geschichte, die dort gemacht wurde und seitdem gemacht wird, wollte ich nie etwas zu tun haben. Sie ist nie meine geworden.
Oder doch?

Im Laufe der Zeit habe ich durch Freundschaften mit OstbewohnerInnen und durch Reisen einen anderen Zugang zu Deutschland und zum Osten errungen. Eine Entwicklung hin zu einem Zustand, den ich persönlich positiv nennen möchte.
Ich bin gelegentlich in Ostberlin gewesen, in Heiligenstadt, Mühlhausen, Erfurt, Gotha, Leipzig oder Dresden, auf Rügen oder im Spreewald. An einigen dieser Orte fingen persönliche Geschichten an, zu denen ich mir sofort Fortsetzungen wünschte.
Die Mauer in meinem Kopf ist nicht weg, so gar nicht, aber sie ist von einer Weltgrenze zu einer Brücke mutiert.