Um den Oderteich rum

Im Harz richtig schöne Wanderstrecken zu finden, schien mir lange eher schwierig. Weil schön meist auch überfüllt bedeutete. Oder abgegriffen. Oder überbreite Wander-Highways.

In den letzten Jahren nutze ich zur Ideenfindung keine Bücher mehr, die „mystische Pfade in Sagenharz“ oder letzte geheime Goethe- oder Heinrich-Heine-Wege zu offenbaren versprechen. Mit diesen Werken habe ich eher selten gute Erfahrungen gemacht. Das liegt unter anderem an der aktuell rasend schnellen Entwicklung des Waldbestandes, aber auch an der wachsenden Beliebtheit des Harzes als Wanderziel, insbesondere für jüngere Menschen. Was mich anfangs ebenso erfreute wie in Erstaunen versetzte, war doch der Harz früher für uns der Inbegriff von Spießigkeit und deutscher Muffeligkeit. Es bedeutet heute halt auch, dass man die richtig schönen Wege und Orte selten für sich allein hat.

Den Oderteich habe ich in der Wander-App Komoot zuerst wahrgenommen. Dort schwärmten so viele Wanderfreundinnen davon, dass ich auch wollte. Mein erster Eindruck war allerdings gelinde gesagt schwierig:

So sah der Oderteich im Sommer 2018 aus.

Nach diesem Anblick brauchte ich anderthalb Jahre für meinen nächsten Anlauf, den ich im März 2020 unternahm, unmittelbar vor dem ersten Lockdown. Nach einem doch zeitweise feuchten Winter sah es dort nun ganz anders aus:

Vom Parkplatz aus die Runde auf der Westseite beginnend war ich sofort von einem sprudelnden Bacheinlauf fasziniert, der rotes Wasser in den Teich zu spülen scheint. Der Teichgrund wird davon fast dunkelrot, darüber das vom Himmel reflektierte Blau auf der Wasseroberfläche, ringsum das Grün der Fichtenreste – da kann man erstmal tief durchatmen.

Das Wasser des Oderteichs macht überall einen sehr frischen und guten Eindruck, der Weg ist abwechslungsreich: von weichem Waldboden über wildes Wurzelwerk, völlig durchweichte Schlammwüste bis zu Holzplankenweg mit Geländer wird alles geboten.

Die Vegetation ist stark geprägt von toten oder im Sterben befindlichen Fichten, die eine wild-romantische bis herb morbide Atmosphäre erzeugen. Dazwischen viel Moos und sumpfige Gräser.

Mich hat echt begeistert, wieviel unterschiedliche Eindrücke sich hier auf echt begrenztem Raum bieten. Die Umrundung des Sees sind gerade mal knapp 5 Kilometer, in anderthalb Stunden sehr gemütlich zu schaffen.

Man ist aber nicht allein dort. Insbesondere als wir Ende Dezember eine Teichrunde im Schnee drehten, befanden wir uns auf einmal fast in einem Volksfest, das allerdings entgegen manchem Rumgeunke durchaus Corona-konform ablief. Mindestabstände konnten problemlos eingehalten werden.

Bei Schnee und Eis sind weite Teile des Wegs echt glatt. Wir haben uns alle mehrmals langgelegt, was mit viel Gelächter verbunden war. Menschen, die nicht ganz trittsicher sind oder sich vor Verletzungen fürchten, sei davon definitiv abgeraten. Alle anderen werden ihren Spaß daran haben.

Der nicht eben kleine Parkplatz war im Dezember heillos überfüllt. Das sollte man einkalkulieren.

Wer im Harz wandert, wird eher früher als später auf Stempelstellen für die Harzer Wandernadel stoßen. Eine solche gibt es natürlich auch am Oderteich. Sie hat die Nummer 217.

Eine Harzreise

Als ich den vorigen Beitrag (über Tschernobyl) schrieb und das Titelbild dazu aussuchte, wollte ich einfach eins mit endzeitlicher Stimmung dazu haben und dachte gar nicht weiter darüber nach, wo das Motiv entstanden war.
Gestern fuhr ich zu meiner Erbauung mal wieder quer durch den Harz von Bad Lauterberg nach Wernigerode und bekam aber so intensiv endzeitliche Laune dabei, dass es die anschließende Wanderung verdammt schwer hatte, meine Grundeinstellung „Im Harz ist es schön!“ wieder herzustellen.

Viele meiner Freund*innen mögen den Harz seit jeher nicht, weil er so düster sei. Was wiederum von den ehemals dichten, endlosen Fichtenwäldern herrührte, zwischen die nie viel Sonnenlicht hindurchkam.

Das Problem hat sich mittlerweile erledigt. Schon vor 3 Jahren, im Laufe des ersten viel zu trockenen Sommers, fanden wir eher lichte Fichtenwälder vor.

Doch da standen immerhin noch viele lichte Fichten in der Gegend rum.
Ja, sie sahen da auch schon etwas gruselig aus.
In den Medien sah, hörte und las man in der Folge viel über den gefräßigen Plapperkäfer von Traal Borkenkäfer vom Brocken, dem trockene Fichten ganz besonders gut schmecken.

Wenn wir also vor drei Jahren noch direkt am Abgrund standen, sind wir inzwischen doch einen guten Schritt weiter. Die Flächen mit den toten Fichten sind jetzt zu einem großen Teil abgeholzt. Übrig geblieben sind neben enormen Holzstapeln grob unordentliche Flächen, die wie mit einem Riesenpflug durchwühlt aussehen. Nach den Abholz-Orgien sind alle offenbar ganz schnell abgehauen und haben auch viele Wanderwege in unpassierbarem Zustand zurückgelassen.

Ja, Wanderwege. Es gibt nach wie vor eine Menge Menschen, die gern im Harz wandern wollen. Seit Corona mehr denn je.

In folgenden Beiträgen werde ich ein paar meiner Eindrücke von den magischen Gebirgswelten des Harzes vermitteln, die für mich der eine Grund sind, den Harz zu besuchen. Vielleicht verdeutlichen sie, was da durch unser Zutun gerade vernichtet wird.

Übrigens ist der April der erste seit werweißwieviel Monaten, der mal nicht der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen ist, sondern einer der kältesten. Es hat zwar auch viel zu wenig geregnet. Aber hey – wollen wir doch mal nicht kleinlich sein mit dem ollen Klima!
Wahrscheinlich ist doch alles gar nicht so schlimm, wie es aussieht. (Heftiges zynisches Räuspern!)