Gehört Ostern spaßbefreit?

Unsere geizgeile Fun-Gesellschaft nutzt natürlich auch die dusteren kirchlichen Feiertage im Frühling, um über die Runden zu kommen. So plakatieren die Göttinger Sündentempel (auch Clubs oder früher Discos genannt) an den Göttinger Straßen, daß es an den Ostertagen die lange Nacht für Männer und Bunny-Rammel-Parties und ähnliche Events geben wird. Veranstaltungen, die den Betreibern ordentlich Geld in die Kasse spülen werden und die Leute anlocken, die sich davon einen hohen Fun- und Geilheitsfaktor versprechen.
Nichts Neues soweit. Das ist doch eigentlich keine gesonderte Erwähnung wert.
Neu ist, daß das Göttinger Lokalkäseblatt sich in einem groß angelegten Artikel zum Thema darüber mockiert, wie frevelhaft mit den religiösen Gefühlen der Gläubigen umgegangen werde. Die Stadt, die wissen schaffen soll, werde zum Sündenbabel. Und das an Ostern.
Danach kann ja eigentlich nur noch die Welt untergehen.

Ist es wirklich angebracht, vor diesem Hintergrund an den Respekt dem Osterfest gegenüber zu appellieren? Wie verträgt sich das mit dem rein kommerziell orientierten Ostermarkt vor dem alten Rathaus, den dasselbe Käseblatt glücklich anpreist? Dieser Markt hat nichts mit der Osterbotschaft zu tun, sondern ausschließlich mit Gewinn aus dem Verkauf von dicken bunten Eiern (und Zubehör).

Leider hat es die Kirche immer gut verstanden, aus der Unterdrückung von Gefühlen, auch und ganz besonders körperlichen Gefühlen, Kapital zu schlagen. Glaubenskapital, das im Lauf der vielen dunklen vergangenen Jahrhunderte immer mal gern mit besonders brachialer Gewalt eingetrieben wurde. Diese dunkle Zeit haben wir, oberflächlich betrachtet, hinter uns gelassen. Heute haben wir die Orientierung unserer körperlichen Gefühle in die Hände von Firmen übergeben, die damit professionell und enorm effektiv umgehen und Geld verdienen können. Das nennen wir gesellschaftlichen Fortschritt.

Nach meinem Verständnis geht es für Christen an Ostern um Befreiung! Nichts anderes. Die Befreiung davon, irgendwelchen Götzen hinterherlaufen zumüssen, Idealen nacheifern zu müssen, irgendwelchen Normen entsprechen zu müssen. All das ist ans Kreuz genagelt worden. Erledigt.
Warum sollen die Leute, die bereit und in der Lage sind, ihre befreite Situation gedanklich zu erfassen und zu verstehen, ihre Freude darüber nicht ausgelassen feiern dürfen? Egal wo und wie. Und die Leute, die nicht drüber nachdenken, warum auch immer, die werden das erst recht nicht tun, wenn man ihnen die Tür vor den angeblichen Orten der Sünde zunagelt.
Und wer am dusteren Karfreitag lieber zuhause im Kämmerlein seine Ruhe haben möchte, der kann das doch bitte einfach tun.