35 Jahre Tschernobyl

Vor ein paar Tagen sah ich mit einem Freund gemeinsam die Folge „Kennedys Kinder“ aus der Serie „Die zweite Heimat“ von Edgar Reitz. Eine der besten Serien und überhaupt Filmproduktionen aller Zeiten, finde ich. Im Nachklang überlegte ich, welche einschlägigen Ereignisse es in meinem Leben gibt, zu denen mir sofort einfällt, wo und unter welchen Umständen ich sie erlebt habe.

Da steht Tschernobyl an erster Stelle. Ein Ereignis, dass aufgrund seiner Einbettung in eine Weltgeschichte, der einfach nichts heilig ist außer der rücksichtslosen Ausbeutung der Natur und all ihrer Ressourcen, ebenso vorhersehbar wie unabwendbar war. Der 11. September 2001 hat mich auch ziemlich erschüttert, aber aus völlig anderen Gründen.

Über Tschernobyl habe ich zum 20. Jubiläum hier bereits einen Artikel geschrieben. Hat sich in den seither vergangenen 15 Jahren etwas verändert? Irgendwie habe ich so spontan das Gefühl, dass ja. Nur nicht zum Guten. Vor kurzem hatten wir gerade erst 10 Jahre Fukushima, das Tschernobyl 2.0 sozusagen, dessen Auswirkungen nicht nur die Japaner, sondern alle Menschen und erst recht die Meeresbewohner noch für sehr lange Zeit beschäftigen wird. Unter dem Eindruck der Ereignisse hat unsere CDU-Regierung unter Merkel den Atom-Ausstieg erneut beschlossen und in die Wege geleitet.

Uns ist heute präsenter als damals, dass wir mit rasender Geschwindigkeit auf die globale Klimakatastrophe zusteuern, gegen deren Auswirkungen die Atomreaktor-Havarien wie Peanuts erscheinen werden. Es gibt u.a. mit fridays for future eine globale Bewegung, die schon eine Menge an Veränderung hin zu einer klimaschonenderen Politik mobilisiert.

Leider stehen den positiven Ansätzen eher mehr negative gegenüber. Von ihnen lesen wir fast täglich in den Nachrichten. Ich möchte die hier nicht aufzählen. Nur soviel: Regierungsverantwortlichen, die in ihrem Land Wälder abholzen lassen, um Kohle zu fördern und zu verfeuern, können wir nicht die Zukunft unserer Erde anvertrauen. Sie haben dieses Vertrauen bereits verspielt.

Aber auch die Technologiegläubigen, die Atomkraft für eine geeignete Energieform gegen den Klimawandel sehen, sind durch Tschernobyl und Fukushima längst widerlegt. Wer möchte das noch ernsthaft diskutieren?

Die bislang entworfenen Rezepte und Maßnahmen, die den Temperaturanstieg unserer Welt bremsen sollen (aufhalten geht schon lange nicht mehr!), erscheinen auf den ersten Blick unbequem und komplex und bedürfen möglichst globaler Koordination. Sie bedeuten vor allem für jedeN Veränderung. Anders leben als bisher, anders wirtschaften, in neue Richtungen denken und handeln.

Es steht jeder und jedem frei, jeden Tag aufs Neue etwas anders, besser, der Zukunft im positiven Sinne zugewandter zu machen. Statt den Kopf ermattet in den Sand zu stecken und resigniert festzustellen, dass die Welt so oder so untergehen wird und wir bis dahin wenigstens noch etwas Party machen können (oder könnten, wenn jetzt nicht auch noch Corona wäre – also nich mal das! :-( ) – stattdessen könnte auch jedeR Verantwortung übernehmen, die grauen Zellen zum Denken und die Phantasie für neue Ideen mobilisieren. Am besten jetzt gleich!

Ich freue mich über jeden Vorschlag!

Atomkraft und Klima und so

Das Gras verdorrt, bemerke ich am frühen Morgen. Ende Mai.
Gestern stand in der Zeitung, dieses Frühjahr sei das trockenste je gemessene. Das entspricht ziemlich genau meiner subjektiven Wahrnehmung. Dieses Frühjahr war geilstes Wetter: unglaublich viel Sonne, viel angenehme Wärme und fast kein Regen.
Die Wege sind staubig, viele Pflanzen und Bäume wirken gestreßt und gerade jetzt in diesen Tagen bekommt man als Mensch von der Trockenheit wieder Nies- und Hustenreiz.
Heute naht mal von Westen eine Gewitterfront, die laut Vorhersagen viel Regen und zum Teil Unwetter bringen soll. Dabei steht zu befürchten, daß die erwarteten Wassermassen von den ausgetrockneten Böden nicht aufgenommen werden, sondern gerade so drüber wegrauschen. Was möglicherweise zu Überschwemmungen oder gar Erdrutschen führen kann. Aber kaum zu einer nachhaltigeren Befeuchtung von Böden. Ab morgen wird es dann weiter trocken sein.

Auch wenn das erst mal nur Wetter ist und kein Klima, was wir jetzt erleben, kann man sich doch schon ziemlich konkret vorstellen, was die Versteppung Mitteleuropas bedeuten könnte. Wie es sich anfühlt. Und was es für Nebenwirkungen haben wird. Weitere Zunahme von Allergien zum Beispiel. Ernteausfälle. Notschlachtungen von Vieh, das nicht mehr versorgt werden kann. Rationierung von Trinkwasser. Notabschaltungen von Atomkraftwerken, weil diese nicht mehr ausreichend gekühlt werden können. Die eine oder andere Kernschmelze, die aufgrund nicht regelrecht funktionierender Notabschaltungen entsteht. Haben die Streßtester denn auch Wassermangel in ihr Kalkül mit aufgenommen?
Sich hinstellen und behaupten, Atomkraftwerke könnten das Klima retten, geht jedenfalls nicht mehr. Schon allein deshalb, weil es für die Rettung des bis vor kurzem gewesenen Zustands ohnehin zu spät ist. Das Klima wandelt sich bereits, wie man aus der zunehmenden Wärme und Trockenheit der letzten Jahre schließen kann oder auch aus der Zunahme von Unwettern.
Der fortdauernde Betrieb von Atomkraftwerken verschlimmert nur die Lage und zwar extrem, wenn zu den Witterungsereignissen auch noch Strahlenunfälle kommen und ganze Landstriche unbewohnbar werden.
Abschalten ist hier also ganz sicher das dringendste Gebot überhaupt. Jeder, der was anderes behauptet, ist entweder von der Atomindustrie gekauft oder ein heilloser Idiot.
Wie ernst es die schwarzgelbe Atomregierung mit ihren Abschaltplänen meint, hat sie mit ihrem „Abschaltplan“ nun einmal mehr deutlich gemacht. Bis auf die 7 bereits stillgelegten Meiler sollen alle anderen noch 10 Jahre laufen und dann alle auf einmal abgeschaltet werden? Das kann doch nur ein Witz sein! Einfach unmöglich, hinter so einem „Plan“ lautere Absicht zu entdecken. Verschleppung ist das, Verdummung und verantwortungslos.
Insofern nichts Neues im Westen.

der Atomstaat…

…und das nukleare Proletariat.
Erinnern Sie sich an Silkwood? Eine wahre Geschichte, die einen damals in den 80ern schon in all seinen Befürchtungen aufs unangenehmste bestätigte. Was sich heute in Japan abspielt, ist eine vielfache Potenzierung dieses Leids, dieses Übels!
Die Definition der Sicherheit von Atomkraftwerken ist offensichtlich überhaupt nur möglich, wenn man den großen Anteil an Menschen, Tieren, Pflanzen und einfach Welt, der durch Atomkraft zu Schaden kommt, ausblendet. Sie erklären einfach gewisse Landstriche oder Meeresbereiche zu verbotenen Zonen, schirmen nicht nur die Strahlung, sondern auch jegliche Nachrichten aus diesen Zonen ab – und tun dann so, als seien wir „sicher“.
Frei nach dem Motto: Irgendwer muß halt in den sauren Apfel beißen. Irgendwie sind ein paar tausend oder hunderttausend Menschen ja auch nur irgendwelche Typen. Wen interessiert schon, wieviele von ihnen ausnullen. Und auf welche Weise.

Handbuch der Hilflosigkeit

Nicht nur die 50 Helden von Fukushima gucken weitestgehend hilflos den katastrophalen Ereignissen zu, stolpern durch Schutthalden und patschen hungrig und übermüdet durch radioaktives Wasser, auch das Management der Betreiberfirma zeichnet sich durch unfaßbare Planlosigkeit aus. Die Chronologie der Ereignisse des vergangenen Monats kann man getrost ein Handbuch der Hilflosigkeit nennen, das die japanische Regierung mit ihren täglich neuen und immer wieder gleichen Durch- und Hinhalteparolen formell besiegelt.
Und die Welt sieht derweil hilf- und planlos zu, wie nicht nur ein ganzes Land nach und nach radioaktiv verseucht wird, sondern auch das Meer. Das Grauen breitet sich seit einem Monat ungehindert aus.
Sie können aber beruhigt sein: für Sie besteht keinerlei gesundheitliche Gefahr. Alle Werte sind weit unterhalb der gesundheitlich bedenklichen Grenzwerte.
Wir haben das im Griff, das Handbuch der Hilflosigkeit, blättern darin, lassen uns gelegentlich aufschrecken von den Drohgebärden der Atomkonzerne, die den Strom teurer machen wollen, den wir doch einfach nur aus der Steckdose benötigen. Für unsere Akkus. Damit wir on bleiben und allzeit informiert sein können. Bzw damit wir uns weiterhin eine Traumrealität so zusammenklicken können, wie wir sie gerade benötigen.