Wenn Sie mal in den Harz fahren, sehen Sie zu, dass Sie auch wenigstens einen kleinen Abstecher nach Bad Grund machen. Die gar nicht mal so kleine ehemalige Bergstadt und der heutige Kurort hält so manche Überraschung bereit. Und das nicht nur für Freund*innen von verfallenden Häusern (allerdings auch!).
Im Ort gibt es zahlreiche architektonische Highlights, ringsum spannende und erlebnisreiche Wanderwege, nicht zuletzt in den Weltwald. Und wenn Sie vor Ort eine Unterkunft beziehen, können Sie dank Kurkarte auch kostenlos öffentliche Verkehrsmittel nutzen – was ich zugegebenermaßen noch nicht probiert habe.
Bad Grund hat unbedingt Zukunft verdient. Die ebenso unbedingt an die Vergangenheit anknüpfen sollte.
Im Harz richtig schöne Wanderstrecken zu finden, schien mir lange eher schwierig. Weil schön meist auch überfüllt bedeutete. Oder abgegriffen. Oder überbreite Wander-Highways.
In den letzten Jahren nutze ich zur Ideenfindung keine Bücher mehr, die „mystische Pfade in Sagenharz“ oder letzte geheime Goethe- oder Heinrich-Heine-Wege zu offenbaren versprechen. Mit diesen Werken habe ich eher selten gute Erfahrungen gemacht. Das liegt unter anderem an der aktuell rasend schnellen Entwicklung des Waldbestandes, aber auch an der wachsenden Beliebtheit des Harzes als Wanderziel, insbesondere für jüngere Menschen. Was mich anfangs ebenso erfreute wie in Erstaunen versetzte, war doch der Harz früher für uns der Inbegriff von Spießigkeit und deutscher Muffeligkeit. Es bedeutet heute halt auch, dass man die richtig schönen Wege und Orte selten für sich allein hat.
Den Oderteich habe ich in der Wander-App Komoot zuerst wahrgenommen. Dort schwärmten so viele Wanderfreundinnen davon, dass ich auch wollte. Mein erster Eindruck war allerdings gelinde gesagt schwierig:
Nach diesem Anblick brauchte ich anderthalb Jahre für meinen nächsten Anlauf, den ich im März 2020 unternahm, unmittelbar vor dem ersten Lockdown. Nach einem doch zeitweise feuchten Winter sah es dort nun ganz anders aus:
Vom Parkplatz aus die Runde auf der Westseite beginnend war ich sofort von einem sprudelnden Bacheinlauf fasziniert, der rotes Wasser in den Teich zu spülen scheint. Der Teichgrund wird davon fast dunkelrot, darüber das vom Himmel reflektierte Blau auf der Wasseroberfläche, ringsum das Grün der Fichtenreste – da kann man erstmal tief durchatmen.
Das Wasser des Oderteichs macht überall einen sehr frischen und guten Eindruck, der Weg ist abwechslungsreich: von weichem Waldboden über wildes Wurzelwerk, völlig durchweichte Schlammwüste bis zu Holzplankenweg mit Geländer wird alles geboten.
Die Vegetation ist stark geprägt von toten oder im Sterben befindlichen Fichten, die eine wild-romantische bis herb morbide Atmosphäre erzeugen. Dazwischen viel Moos und sumpfige Gräser.
Mich hat echt begeistert, wieviel unterschiedliche Eindrücke sich hier auf echt begrenztem Raum bieten. Die Umrundung des Sees sind gerade mal knapp 5 Kilometer, in anderthalb Stunden sehr gemütlich zu schaffen.
Man ist aber nicht allein dort. Insbesondere als wir Ende Dezember eine Teichrunde im Schnee drehten, befanden wir uns auf einmal fast in einem Volksfest, das allerdings entgegen manchem Rumgeunke durchaus Corona-konform ablief. Mindestabstände konnten problemlos eingehalten werden.
Bei Schnee und Eis sind weite Teile des Wegs echt glatt. Wir haben uns alle mehrmals langgelegt, was mit viel Gelächter verbunden war. Menschen, die nicht ganz trittsicher sind oder sich vor Verletzungen fürchten, sei davon definitiv abgeraten. Alle anderen werden ihren Spaß daran haben.
Der nicht eben kleine Parkplatz war im Dezember heillos überfüllt. Das sollte man einkalkulieren.
Wer im Harz wandert, wird eher früher als später auf Stempelstellen für die Harzer Wandernadel stoßen. Eine solche gibt es natürlich auch am Oderteich. Sie hat die Nummer 217.
Die Wanderführer von Wolfgang Dahms bringen uns immer wieder auf gute Tour-Ideen, so heute auf die Strecke von Brehme (ca. 6km hinter Duderstadt) auf den Sonnenberg hinauf.
Aufstieg
Man startet bei Andreas Waldcafé, in das wir mit etwas mehr Zeit unbedingt mal einkehren wollen. Sogleich geht es dann durch sehr schön grünen Wald zu einem Teich, in dem sich beachtlich große Fische tummeln. Mangels Ahnung von Fischen kann ich die leider nicht genauer benennen.
Dahinter erklimmt man den Weg zur Wildunger Ruine: ein paar Mauerreste, faszinierend besonders das in die Landschaft ragende Fenster.
Der weitere Verlauf ist abwechslungsreich über weite Wiesen, an einer Weide mit jungen Kühen vorbei und schließlich über den staubigen Parkplatz des Sonnensteins einen steilen Hang hinauf zu ebendiesem.
Oben wird man mit eindrucksvollem Blick über das nordwestliche Eichsfeld belohnt. Neuerdings gibt es sogar einen kleinen Skywalk, der für ein kurzes nettes „Hach“ sorgt, wenn man ihn nach artigem Schlangestehen (wegen Corona, Mindestabstand – Sie wissen schon) betritt.
Ein guter Ort für ein Picknick, erwähnte ich das schon?
Rückweg
Wieder hinab geht es durch dichten Wald, an einem reizvollen Abhang entlang, vorbei an einer Waldhütte neben ein paar sehr kleinen Teichen. An der Tür hängt ein Zettel mit dem Spruch: „Wascht euch die Hände, für die Gehirnwäsche sorgen ARD und ZDF“. Man fragt sich unweigerlich, wessen Hirn hier von wem weichgespült wurde. Aber das erörtere ich gern bei anderer Gelegenheit.
Man geht auf dieser Tour 7,3 km und überwindet ca. 200 Höhenmeter.
Der gar nicht mal so kleine Ort Brehme überrascht mich jedes Mal aufs Neue mit seinen spannenden Gegensätzen. Bald nach Ortseingang erstrahlt die „staatliche Grundschule“ seit ein paar Jahren in neuem Glanz, der ganze Ort wirkt äußerst rausgeputzt: da liegt kein Fussel auf der Fahrbahn! Sehr viele teuer anmutende individuell gestaltete Villen oder schick sanierte Vorwendebauten. Man darf durchaus staunen und sich fragen, wo all das Geld herkommt. Umso mehr überrascht dann der Zustand des Freibades, das idyllisch am Waldrand gelegen, seit mindestens 30 Jahren vor sich hin gammelt.
Warum nur? Als Relikt mit Ost-Charme-Charakter kann ich dem viel abgewinnen. Ich bin aber auch nicht Kind in Brehme. Oder habe dort welche.
Schließlich: nicht etwa trotzdem, sondern genau deswegen fahre ich da gerne immer wieder hin. Zum Wandern und zum Gucken.
Ein Aufenthalt in einem lost place ist zwar möglicherweise gefährlich, verboten oder beides – er kann jedoch auch sehr heilsam für die Seele sein. Als Kur ist er bei der Krankenkasse zurzeit jedoch nicht durchsetzbar. Der Harz bietet einige seit Jahren verlassene Locations, die – auch wenn sie auf eigene Kosten gehen – durchaus spannende Erholung ermöglichen.
>> Bilder anklicken zum Vergrößern und für Diashow…
Es ist schon ein paar Monate her, aber der letzte Ausflug zu einer verlassenen Harzer Villa bleibt unvergessen. Heute endlich kann ich Ihnen hier ein paar Eindrücke davon anbieten. Viele der feinen Details sind mir erst beim Betrachten der Bilder aufgefallen. In der Villa selbst war es dunkel, kalt und unheimlich.
Demnächst werden noch ein paar weitere Reportagen von lost places im Harz hier folgen.
Zwei Männer mit Charakter (oder besonderer Schrulle?) setzen sich ins Auto, fahren knapp 2 Stunden durch den einsetzenden Winter, nur um dann mitten im Harz (sprich: Hachz) auf einem eher unscheinbaren Bahnhof stundenlang rumzulungern.
Aber natürlich nicht in Elend, sondern in Drei Annen Hohne. Auf diesen Bahnhof rauschen dann allerdings innerhalb einer halben Stunde vier Dampflok-Züge ein. Von Wernigerode zum Brocken, Vom Brocken nach Wernigerode, von Nordhausen nach Wernigerode und von Wernigerode nach Eisfelder Talmühle. Der Bahnhof heißt Drei Annen Hohne und befindet sich in der Nähe des Brockens, des höchsten Berges im Harz. Die Harzer Schmalspurbahn ist einer der größten zusammenhängenden Kleinbahnbetriebe überhaupt, der im Regelfahrplan Zugverkehr betreibt. Eine Sensation, immer wieder.
Die beiden charakterstarken Herren sind natürlich zum Photographieren gekommen. Sie nehmen kalte Füße, kalte Hände, kalten Sonstwas billigend in Kauf, setzen sich zwischendurch (in einer Drehpause) ins Auto, trinken heißen Yogi-Tee aus Thermoskanne und glucksen vor sich hin, weil sie sich selber lustig finden.
Leider wird die wunderschöne Bahnhofsbeleuchtung in zart orange heute erst sehr spät eingeschaltet. Das ist aber auch schon der einzige Kritikpunkt an einem im Übrigen sehr abwechslungsreichen und faszinierenden Bahnhofsprogramm, das man auch ruhig Spektakel nennen darf. :-) Gut gelaunt fahren die beiden Photo-Heinis mit ihrem Auto wieder über vollgeschneite und glatte und dunkle Straßen durch die Tiefen des Harzes zurück in ihren Heimatort, wo sie nun wieder eine Weile zehren müssen von diesem Ausflug.
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