Trübe Aussichten

Wenn morgens um acht die Straßenbeleuchtung noch matte Schatten wirft und du von etwa 4 Grad kalten feinsten Tröpfchen benässt wirst. Wenn der automobile Verkehr noch ein Tickchen lauter und aggressiver wirkt als ohnehin schon. Wenn dir aus der Zeitung, der Tagesschau oder aus Twitter nur Warnungen entgegen schallen. Warnungen vor der neuesten Corona-Mutation, vor Rechtsextremisten, vor russischer Aggression gegen die Ukraine, in der Litauen bereits Anzeichen für den totalen Krieg sieht. Vor drastischer Zunahme noch drastischerer Wetterereignisse wie Hitzewellen, Starkregen mit Überflutungen und Zerstörung ganzer Landstriche, sonst wahlweise auch durch Tornados, die sich zu Gruppen zusammenrotten und hunderte Kilometer lange Schneisen völliger Verwüstung ziehen. Wenn sich sogar Vulkane weltweit zu organisieren scheinen, um konzertiert ihre Lavaströme auf unsere Kulturen zu erbrechen.

Und so weiter…

Dystopisch, verstörend, anschwellende Spannung. Allerdings keinerlei Altersbeschränkung. Kein Film von Roland Emmerich. Nicht einmal Fiktion. Nur Science und mediale Aufbereitung.

Da kann man schon mal schlechte Laune kriegen.

Wissenschaft macht Hoffnung

Es gibt doch noch Hoffnung für eine bislang zu wenig beachtete Minderheit: bei immer mehr Elchinnen kommt Penisneid auch bereits in juvenilem Stadium als Komplikation ihres ohnehin schon turbulenten Daseins im Fahrgeschäft vor.
Doch mit Hilfe einer speziellen Lagerungstechnik konnte nun ein therapeutischer Ansatz gefunden werden! 🦌 Die Fachwelt horcht auf. Und die geplagten Tiere dürfen hoffentlich aufatmen!

der vierten Welle entschieden begegnen

Schon als vor gefühlt einigen Monaten der Corona Freedom Day von deutlich zu vielen „liberal“ veranlagten Menschen propagiert wurde, verstand ich das nicht. Da waren die Inzidenzen noch gravierend niedriger als jetzt. Und was passiert jetzt? Das Ende der nationalen epidemischen Notlage wird eingeläutet, während die Zahlen trotz 2/3 vollständig geimpfter Menschen in diesem unserem Lande deutlich höher sind als letztes Jahr um diese Zeit. 3G- oder 2G-Veranstaltungen werden zwar propagiert, die nachhaltige Kontrolle der notwendigen Zertifikate findet aber nicht in ausreichendem Maße statt.
Dazu kommt dieser Schlangenlinienkurs des Gesundheitsministers, der erst die Impfzentren hat schließen lassen und jetzt für ihre Wiedereröffnung plädiert. Als seien das Kioske, wo man nur den Rollladen hoch- und runterziehen müsste.

In einer der renomiertesten Talkshows darf die für ihre spalterischen (doppelzüngigen?) Äußerungen sattsam bekannte Frau Wagenknecht ihre Weigerung sich selbst impfen zu lassen mit irreführenden Argumenten belegen. Ihr wird zwar heftig widersprochen – aber warum bekommt sie überhaupt so ein Forum?

So wie liberal im liberalen Sinne keineswegs immer nur liberal meint, kann hier Toleranz keineswegs bedeuten, die Intoleranz der Impfgegner und Pandemie-Leugner auf Kosten der Gesundheit aller zu tolerieren. Ich breche daher eine klare und unmissverständliche Lanze für eine gut erklärte und ausreichend kommunizierte, ansonsten umfassende Impfpflicht gegen Corona.
Alles andere erscheint mir für die aktuelle Situation zu kurz gegriffen, heuchlerisch und nicht zielführend.

Das ganze Gelaber um „mit den Leuten ins Gespräch kommen“ funktioniert nicht, wie das letzte Jahr, wie der Umgang mit Querdenkern, AfDlern und anderen immer schon und immer wieder zeigt. Wer Argumenten nicht zugänglich ist, mit dem kann man nicht sinnvoll diskutieren. Das ist zermürbende Zeitverschwendung.

Lasch bis zum Merz – Garagenland

Eine nach der andern
Schreitest du sie ab
Egal wie grau du strahlst
Oh schönste der Garagen!
Denn du weißt: hier im Garagenland
Darf’s nie ein Tempolimit geben!
Feier dich auf deinen BeEmWe ElektroSUV
Um Lasch bis zum Merz im Klima zu versödern
Denn besser hast du’s nicht verdient

Gehen und Laufen

Vor gut zwei Monaten habe ich mir eine Lauf-Uhr gekauft nach dem Vorbild meiner Tochter, die sich mittels eines Fitness-Trackers selbst dazu motivierte täglich 10000 Schritte zu machen. Das hat mir imponiert und – das wollte ich auch.

Mit meiner Anschaffung hoffte ich auch das Laufen, das ich in den letzten zwei drei Jahren arg habe schleifen lassen, wieder neu beleben zu können.

Tja, was soll ich sagen? Hat geklappt. Hat weitaus besser funktioniert, als ich vorher für möglich gehalten hätte. Nicht nur, dass ich durch das Schrittezählen täglich neue Motivation bekomme, mich – draußen – zu bewegen. Sondern durch ein Coaching-Programm, das es kostenlos als Zugabe zur Laufuhr gibt, habe ich in den vergangenen 9 Wochen auf laufmäßig den Wiedereinstieg geschafft und es von anfänglichem Lauf-Gehen für 20 Minuten zu locker Durchlaufen über 70 Minuten geschafft. Mein „gebuchtes“ Training sollte mich dazu bringen, dass ich 5 km in 30 Minuten laufen kann. Nix besonderes, schon klar. Vor paar Jahren bin ich 8 km in 43:30 gelaufen. Aber eben vor paar Jahren.
Und jetzt bin ich tatsächlich schon dreimal 10 km gelaufen. Durchgelaufen. Ohne Gehpause. Nicht schnell, aber kontinuierlich.
Und die Schritte? Ich habe jetzt 23 Tage lang täglich mehr als 12.000 Schritte zurückgelegt, inclusive Laufen natürlich. Aber es kamen noch reichlich Spaziergänge und ein paar Walk-Einheiten dazu.

Man merkt, dass ich stolz bin, nicht wahr? Ja, bin ich auch. Vor allem freue ich mich total darüber.

Um den Oderteich rum

Im Harz richtig schöne Wanderstrecken zu finden, schien mir lange eher schwierig. Weil schön meist auch überfüllt bedeutete. Oder abgegriffen. Oder überbreite Wander-Highways.

In den letzten Jahren nutze ich zur Ideenfindung keine Bücher mehr, die „mystische Pfade in Sagenharz“ oder letzte geheime Goethe- oder Heinrich-Heine-Wege zu offenbaren versprechen. Mit diesen Werken habe ich eher selten gute Erfahrungen gemacht. Das liegt unter anderem an der aktuell rasend schnellen Entwicklung des Waldbestandes, aber auch an der wachsenden Beliebtheit des Harzes als Wanderziel, insbesondere für jüngere Menschen. Was mich anfangs ebenso erfreute wie in Erstaunen versetzte, war doch der Harz früher für uns der Inbegriff von Spießigkeit und deutscher Muffeligkeit. Es bedeutet heute halt auch, dass man die richtig schönen Wege und Orte selten für sich allein hat.

Den Oderteich habe ich in der Wander-App Komoot zuerst wahrgenommen. Dort schwärmten so viele Wanderfreundinnen davon, dass ich auch wollte. Mein erster Eindruck war allerdings gelinde gesagt schwierig:

So sah der Oderteich im Sommer 2018 aus.

Nach diesem Anblick brauchte ich anderthalb Jahre für meinen nächsten Anlauf, den ich im März 2020 unternahm, unmittelbar vor dem ersten Lockdown. Nach einem doch zeitweise feuchten Winter sah es dort nun ganz anders aus:

Vom Parkplatz aus die Runde auf der Westseite beginnend war ich sofort von einem sprudelnden Bacheinlauf fasziniert, der rotes Wasser in den Teich zu spülen scheint. Der Teichgrund wird davon fast dunkelrot, darüber das vom Himmel reflektierte Blau auf der Wasseroberfläche, ringsum das Grün der Fichtenreste – da kann man erstmal tief durchatmen.

Das Wasser des Oderteichs macht überall einen sehr frischen und guten Eindruck, der Weg ist abwechslungsreich: von weichem Waldboden über wildes Wurzelwerk, völlig durchweichte Schlammwüste bis zu Holzplankenweg mit Geländer wird alles geboten.

Die Vegetation ist stark geprägt von toten oder im Sterben befindlichen Fichten, die eine wild-romantische bis herb morbide Atmosphäre erzeugen. Dazwischen viel Moos und sumpfige Gräser.

Mich hat echt begeistert, wieviel unterschiedliche Eindrücke sich hier auf echt begrenztem Raum bieten. Die Umrundung des Sees sind gerade mal knapp 5 Kilometer, in anderthalb Stunden sehr gemütlich zu schaffen.

Man ist aber nicht allein dort. Insbesondere als wir Ende Dezember eine Teichrunde im Schnee drehten, befanden wir uns auf einmal fast in einem Volksfest, das allerdings entgegen manchem Rumgeunke durchaus Corona-konform ablief. Mindestabstände konnten problemlos eingehalten werden.

Bei Schnee und Eis sind weite Teile des Wegs echt glatt. Wir haben uns alle mehrmals langgelegt, was mit viel Gelächter verbunden war. Menschen, die nicht ganz trittsicher sind oder sich vor Verletzungen fürchten, sei davon definitiv abgeraten. Alle anderen werden ihren Spaß daran haben.

Der nicht eben kleine Parkplatz war im Dezember heillos überfüllt. Das sollte man einkalkulieren.

Wer im Harz wandert, wird eher früher als später auf Stempelstellen für die Harzer Wandernadel stoßen. Eine solche gibt es natürlich auch am Oderteich. Sie hat die Nummer 217.

Eine Harzreise

Als ich den vorigen Beitrag (über Tschernobyl) schrieb und das Titelbild dazu aussuchte, wollte ich einfach eins mit endzeitlicher Stimmung dazu haben und dachte gar nicht weiter darüber nach, wo das Motiv entstanden war.
Gestern fuhr ich zu meiner Erbauung mal wieder quer durch den Harz von Bad Lauterberg nach Wernigerode und bekam aber so intensiv endzeitliche Laune dabei, dass es die anschließende Wanderung verdammt schwer hatte, meine Grundeinstellung „Im Harz ist es schön!“ wieder herzustellen.

Viele meiner Freund*innen mögen den Harz seit jeher nicht, weil er so düster sei. Was wiederum von den ehemals dichten, endlosen Fichtenwäldern herrührte, zwischen die nie viel Sonnenlicht hindurchkam.

Das Problem hat sich mittlerweile erledigt. Schon vor 3 Jahren, im Laufe des ersten viel zu trockenen Sommers, fanden wir eher lichte Fichtenwälder vor.

Doch da standen immerhin noch viele lichte Fichten in der Gegend rum.
Ja, sie sahen da auch schon etwas gruselig aus.
In den Medien sah, hörte und las man in der Folge viel über den gefräßigen Plapperkäfer von Traal Borkenkäfer vom Brocken, dem trockene Fichten ganz besonders gut schmecken.

Wenn wir also vor drei Jahren noch direkt am Abgrund standen, sind wir inzwischen doch einen guten Schritt weiter. Die Flächen mit den toten Fichten sind jetzt zu einem großen Teil abgeholzt. Übrig geblieben sind neben enormen Holzstapeln grob unordentliche Flächen, die wie mit einem Riesenpflug durchwühlt aussehen. Nach den Abholz-Orgien sind alle offenbar ganz schnell abgehauen und haben auch viele Wanderwege in unpassierbarem Zustand zurückgelassen.

Ja, Wanderwege. Es gibt nach wie vor eine Menge Menschen, die gern im Harz wandern wollen. Seit Corona mehr denn je.

In folgenden Beiträgen werde ich ein paar meiner Eindrücke von den magischen Gebirgswelten des Harzes vermitteln, die für mich der eine Grund sind, den Harz zu besuchen. Vielleicht verdeutlichen sie, was da durch unser Zutun gerade vernichtet wird.

Übrigens ist der April der erste seit werweißwieviel Monaten, der mal nicht der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen ist, sondern einer der kältesten. Es hat zwar auch viel zu wenig geregnet. Aber hey – wollen wir doch mal nicht kleinlich sein mit dem ollen Klima!
Wahrscheinlich ist doch alles gar nicht so schlimm, wie es aussieht. (Heftiges zynisches Räuspern!)

35 Jahre Tschernobyl

Vor ein paar Tagen sah ich mit einem Freund gemeinsam die Folge „Kennedys Kinder“ aus der Serie „Die zweite Heimat“ von Edgar Reitz. Eine der besten Serien und überhaupt Filmproduktionen aller Zeiten, finde ich. Im Nachklang überlegte ich, welche einschlägigen Ereignisse es in meinem Leben gibt, zu denen mir sofort einfällt, wo und unter welchen Umständen ich sie erlebt habe.

Da steht Tschernobyl an erster Stelle. Ein Ereignis, dass aufgrund seiner Einbettung in eine Weltgeschichte, der einfach nichts heilig ist außer der rücksichtslosen Ausbeutung der Natur und all ihrer Ressourcen, ebenso vorhersehbar wie unabwendbar war. Der 11. September 2001 hat mich auch ziemlich erschüttert, aber aus völlig anderen Gründen.

Über Tschernobyl habe ich zum 20. Jubiläum hier bereits einen Artikel geschrieben. Hat sich in den seither vergangenen 15 Jahren etwas verändert? Irgendwie habe ich so spontan das Gefühl, dass ja. Nur nicht zum Guten. Vor kurzem hatten wir gerade erst 10 Jahre Fukushima, das Tschernobyl 2.0 sozusagen, dessen Auswirkungen nicht nur die Japaner, sondern alle Menschen und erst recht die Meeresbewohner noch für sehr lange Zeit beschäftigen wird. Unter dem Eindruck der Ereignisse hat unsere CDU-Regierung unter Merkel den Atom-Ausstieg erneut beschlossen und in die Wege geleitet.

Uns ist heute präsenter als damals, dass wir mit rasender Geschwindigkeit auf die globale Klimakatastrophe zusteuern, gegen deren Auswirkungen die Atomreaktor-Havarien wie Peanuts erscheinen werden. Es gibt u.a. mit fridays for future eine globale Bewegung, die schon eine Menge an Veränderung hin zu einer klimaschonenderen Politik mobilisiert.

Leider stehen den positiven Ansätzen eher mehr negative gegenüber. Von ihnen lesen wir fast täglich in den Nachrichten. Ich möchte die hier nicht aufzählen. Nur soviel: Regierungsverantwortlichen, die in ihrem Land Wälder abholzen lassen, um Kohle zu fördern und zu verfeuern, können wir nicht die Zukunft unserer Erde anvertrauen. Sie haben dieses Vertrauen bereits verspielt.

Aber auch die Technologiegläubigen, die Atomkraft für eine geeignete Energieform gegen den Klimawandel sehen, sind durch Tschernobyl und Fukushima längst widerlegt. Wer möchte das noch ernsthaft diskutieren?

Die bislang entworfenen Rezepte und Maßnahmen, die den Temperaturanstieg unserer Welt bremsen sollen (aufhalten geht schon lange nicht mehr!), erscheinen auf den ersten Blick unbequem und komplex und bedürfen möglichst globaler Koordination. Sie bedeuten vor allem für jedeN Veränderung. Anders leben als bisher, anders wirtschaften, in neue Richtungen denken und handeln.

Es steht jeder und jedem frei, jeden Tag aufs Neue etwas anders, besser, der Zukunft im positiven Sinne zugewandter zu machen. Statt den Kopf ermattet in den Sand zu stecken und resigniert festzustellen, dass die Welt so oder so untergehen wird und wir bis dahin wenigstens noch etwas Party machen können (oder könnten, wenn jetzt nicht auch noch Corona wäre – also nich mal das! :-( ) – stattdessen könnte auch jedeR Verantwortung übernehmen, die grauen Zellen zum Denken und die Phantasie für neue Ideen mobilisieren. Am besten jetzt gleich!

Ich freue mich über jeden Vorschlag!

Alles dicht machen?

Ich heiße Ralph. Ich bin kein Schauspieler. Zumindest nicht von Beruf.
Ich habe bereits vorgestern den Schauspieler*innen gedankt, die sich getraut haben uns alle mit ihrer Aktion #allesdichtmachen aus der Reserve zu locken.
Denn ich finde es wichtig, Zweifel an herrschenden Meinungen und den eigenen kritischen Verstand gerade in schwieriger Lage nicht zugunsten von moralischen Glaubenssätzen aufzugeben. Selber denken hält fit. Das verstehen zu viele offenbar nicht.

Der Shitstorm, den die Schauspieler*innen auf Twitter, auf Youtube und in allen anderen möglichen Medien erfahren mussten, macht mich ehrlich gesagt fassungslos und traurig und wütend. Eine Menge Leute, denen ich bislang auf Twitter gefolgt bin und von denen ich eigentlich viel halte, haben sich dem Einprügeln auf die Akteur*innen der Aktion angeschlossen. Der Ton, in dem geschnauzt und gehetzt wird, ist unglaublich schnell völlig aus dem Ruder gelaufen.

Ja, man kann den Initiator*innen und Akteur*innen von #allesdichtmachen vorhalten, sie hätten nicht ausreichend Sorge dafür getragen, dass sie von den Rechten (Corona-Leugnern, Querdenkern etc) für ihre Aktion keinen Beifall bekommen. Aber worauf läuft das denn hinaus? Darf ich keine Kritik mehr äußern bzw ist nun jede Kritik verpönt, die auch von der falschen politischen Seite geäußert und damit vereinnahmt wird? Geht nur noch absolutes Schubladen-Denken?

Ich habe vielmehr den Eindruck, dass unsere politische Streitkultur an einem Tiefpunkt angekommen ist. Wir reden nirgends mehr miteinander, sondern nur noch übereinander. Und das am liebsten auf gehässigste Weise.

Ja, man kann den einen oder anderen Beitrag zu #allesdichtmachen unempathisch, zynisch oder süffisant nennen. Und? Ist das ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Darf man, weil durch Corona täglich Menschen sterben, weil um dies zu verhindern andere Menschen seit Monaten am Limit arbeiten und eigentlich nicht mehr können, weil andere Menschen an Einsamkeit oder Perspektivlosigkeit zugrunde gehen, weil Regierungen und Behörden auf allen Ebenen seit über einem Jahr sich zwar bemühen, aber leider zu oft erfolglos und zu oft stümpernd – und sich zu viele dabei nur selbst bereichern – darf man deswegen nur noch ununterbrochen mit betroffener Miene zu jeder neuen Regierungsentscheidung Ja und Amen sagen? Und Satire, Ironie, Sarkasmus, Zynismus ist verboten – bis es uns wieder besser geht?

Aus meiner Sicht ist die Aktion #allesdichtmachen ein voller Erfolg. Sie hilft nicht gegen Corona, ok. Sie hält uns stattdessen einen Spiegel vor und zeigt uns, dass wir an unserer Streitkultur, überhaupt an unserer Kommunikation arbeiten müssen, wenn wir uns nicht irgendwann wegen jeder Kleinigkeit nur noch anschreien wollen. Den Wutbürger als Phänomen hat nicht Corona hervorgebracht, aber er bekommt durch Politik und ‚die Wirtschaft‘ ständig neue Gründe für sein Wütendsein geliefert. Gefundenes Fressen für alle Gruppen auf der rechten Seite, denen das Fischen nur immer leichter gemacht wird – dies jedoch durch die Politik, nicht durch die satirische Auseinandersetzung mit ihr.

Ich habe selbst einige Zeit überlegt, auf welche Seite ich mich in diesem Streit schlage. Die Videos finde ich nicht alle wirklich zielführend. Ich finde es aber auch nicht nötig, nicht einmal sinnvoll, hier Perfektion zu erwarten und einzuklagen. Kunst ist eine menschliche Fähigkeit und darf, ja muss auch ‚Fehler‘ machen – dürfen. Aus ‚Fehlern‘ lernen wir. Perfektion lässt uns letztlich kalt. Was mich ganz und gar nicht kalt lässt, ist die klar zu große Bereitschaft der moralischen Rechthaber*innen, gleich drauf los zu prügeln. Ich habe auf Twitter so viele hasserfüllte Kommentare gelesen, dass ich es nach kurzer Zeit nicht mehr ausgehalten habe. Eine Diskussion kann ich das nicht nennen. Davon kann ich mich nur abwenden und mich hier in meine Quasi-Privatsphäre zurückziehen. Wohl wissend, dass hier gerade das Private politisch ist.

Und ganz privat solidarisiere ich mich mit den Schauspieler*innen von #allesdichtmachen und hoffe sehr mit ihnen und für sie, dass sie die heftige Belastung dieses Shitstorms ertragen und keine bleibenden Schäden davontragen!

Wir müssen dringend eine kompetente Regierung wählen!

Es fing vor dreieinhalb Jahren ja schon damit an, dass die Gewählten nicht willens waren, sich zu einer regierungsfähigen Koalition zusammenzufinden.
Erinnern Sie sich? Die SPD wollte nicht mehr Groko sondern Opposition. Die FDP wollte nicht Jamaika. Und die Grünen oder gar die Linke fragte niemand. Nach einem halben Jahr rat- und mutlosem Hin- und Her beschlossen sie dann, so weiter zu machen wie bis dahin.

Und dann ging es weiter mit einer Aneinanderreihung von Unfähigkeitsmanifestationen jedeR einzelnen MinisterIn. Na gut, fast jedeR. Aber wer bei den Namen Seehofer, Altmaier, Scholz, Scheuer, Klöckner, Kramp-Karrenbauer oder Spahn keine Zuckungen bekommt und unwillkürlich ‘Oh Gott, bloß nicht!‘ denkt, die hat die letzten Jahre keine Nachrichten gesehen oder sie nicht verstanden.

Die einzelnen Skandale und missglückten Entscheidungen dieser MinisterInnen hier aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen – ich mag mir das auch nicht noch mal alles vor Augen führen. Und Ihnen erst recht nicht!

Die Entwicklung unseres Landes hinsichtlich Umweltpolitik, Klimaschutz, Hass-Kriminalität, allgemein Erstarken rechter Gruppen und des Rechtsextremismus, der immer offener zu Tage tretende Mangel an Bereitschaft, rechte Straftaten zu verfolgen, die ungebremst, ja seit Corona extrem beschleunigte Umverteilung von Vermögen nach oben, also zu den immer reicheren Superreichen hin, die fatale Vernachlässigung unserer Infrastruktur, die Unfähigkeit das Wort Digitalisierung überhaupt nur richtig zu denken (Neuland!) – und das sind ja nur ein paar nationale Themen! Die europäischen sind nicht minder dringend – auch eine Strategie, wie mit den Autokraten dieser Welt umzugehen ist, wird von Jahr zu Jahr unverzichtbarer. Schon Erdogan gegenüber hat diese Regierung seit jeher eine klare Linie verschlafen. Vor allem um der unsäglichen ‚Flüchtlingsproblematik‘ willen. Was ist das für ein entsetzlich schäbiges, grausames Armutszeugnis für eins der reichsten Länder der Welt, wenn es nicht nur meint, ein paar extrem hilfsbedürftige Menschen aus Kriegs- und Katastrophengebieten nicht aufnehmen zu können, sondern auch noch ausgerechnet Verbrecher am eigenen Volk (wie Erdogan) die Drecksarbeit machen lässt!

Und das Pandämie-Management? Man kann es ja schon lange nicht mehr hören! Lockdown, Notbremse, Kontaktbeschränkungen – die sich scheinbar unendlich perpetuierende Litanei nicht nur der Phantasielosigkeit sondern der Unfähigkeit, mal etwas weiter zu denken als von der Tagesschau bis zur Wetterkarte! Vor einem Jahr hörte diese Regierung noch auf ExpertInnen. Zumindest manchmal. Doch mit der trügerischen Beruhigung des Infektionsgeschehens im Sommer 2020 hörte das auf. Langsam aber sicher bekamen die Bedürfnisse der ‚Wirtschaft‘ wieder den Stellenwert, den ihnen diese Regierung zubilligt. Und selbst jetzt, wo uns die dritte Welle bereits voll ins Gesicht schwappt, gibt es außer Kompetenzgerangel und peinliche Wahlkampfallüren (die K-Frage!) weder erfolgversprechende Maßnahmen, noch auch nur den Ansatz einer Strategie.

All das muss endlich aufhören! Natürlich trägt Merkel daran die Hauptverantwortung, da sie nicht nur diese Ministerriege anführt, sondern auch die Richtlinienkompetenz für die Regierung innehat. Und hinter ihr die Partei mit dem C. Nicht für Corona, aber ganz sicher auch nicht für christlich, sondern wohl nur noch für corrupt.

Aber, das darf man ja nie vergessen: hinter dieser Regierung steht natürlich in erster Linie ‚die Wirtschaft‘, diese mit Grund namenlose ominöse Größe, die bei jeder Gelegenheit als Willenssouverän genannt wird und die ganz offenkundig umfassende Vorstellungen davon hat, wie es hierzulande, in Europa und in der Welt zu laufen hat. Wenn ‚die Wirtschaft’ die Testpflicht für Corona ablehnt, dann ist natürlich auch der Wirtschaftsminister dagegen. Und wenn die Chemieindustrie ihr Glyphosat noch ein paar Jahre weiter vermarkten möchte, dann stellt natürlich die Landwirtschaftsministerin seine Unbedenklichkeit fest. Der Verkehrsminister hat einen Universalfreibrief, Gelder der Wirtschaft direkt zu schenken. Ach ja, der Gesundheitsminister ja auch.

Und so weiter. Den Satz vom ‚ich kann gar nicht so viel fressen…‘ schenke ich mir mal, sonst wird mir noch schlechter.

In der nächsten Legislaturperiode müssen endlich so viele Missstände wenigstens angegangen werden (zu bewältigen können sie in 4 Jahren gar nicht sein!), dass es einer Regierung bedarf, die nicht nur aus verantwortungsvollen Menschen besteht, sondern auch aus solchen, die Ahnung haben von den Problemen, die es zu meistern gilt. Und die, wenn ihnen das nötige Detailwissen fehlt, nicht den Lobbyisten in die Arme laufen, sondern dem Rat kompetenter und unabhängiger Experten folgen.
Politikverdrossenheit ist zwar naheliegend, aber definitiv keine Option! Wir dürfen die Dinge nicht einfach laufen und ‚die da oben’ machen lassen! Veränderung muss sein – und ist möglich. Jetzt.
Also informieren wir uns beizeiten, wer für eine kompetente Regierung in Frage kommt, und wählen im September entsprechend!

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Der diskrete Charme des Cheltenhamparks

Frühling im Chelti. Nachmittags. Abends. Früh morgens. Immer!
Eine dieser Oasen in Göttingen, die ich seit Jahrzehnten zu jeder Jahres- und Tageszeit gern aufsuche. Oft fahre ich einfach nur mit dem Fahrrad durch, nie ohne am Geländer des Schwänchenteichs kurz anzuhalten und den Blick über die Mini-Fontaine hinüber zur alten Wall-Mauer schweifen zu lassen.

Oder ich spaziere genüsslich zwischen den alten Grabsteinen und -kreuzen umher, bestaune ihre Inschriften genauso wie ihre Patina.

Leider ist mein Lieblingspark in Göttingen durch ‚Aufwertung‘ bedroht. Neue Wege sollen angelegt und die ganze Anlage ‚aufgehübscht‘ werden.
Meine Meinung dazu ist klar und einfach: der Chelti sollte so bleiben, wie er ist. In seiner Unvollkommenheit und seinen sichtbaren Zeitspuren liegt sein unvergleichlicher Charme. Die vielen Menschen, die sich täglich gern darin aufhalten oder ihn durchqueren, sprechen eine deutliche Sprache.
Es gibt dort nichts zu optimieren!

Und der Murks, der an der Stadthalle und dem Albaniplatz fabriziert wird, sollte nicht durch Murks am Park verschlimmbessert werden.

Tischgemeinschaft als Lockdown-Bewältigung

Seit Monaten finden wir uns immer wieder am Wohnzimmertisch ein, meine Tochter und ich, bewohnen jede eine Tischseite. Zum Essen notwendige Utensilien bleiben liegen neben Handy, Tablet, Ladegeräten, ungeöffneten Briefen von Spendenerbittern oder der Krankenkasse. Auf der Bank am Tisch stapeln sich ausgemusterte Gegenstände, die ich gerade bei ebay Kleinanzeigen zu verkaufen versuche. Ein Glockenspiel, ein altes Tablet…

Statt dass wir in unseren eigenen Zimmern sitzen, wo sie ihre Staffelei, Farben und Pinsel hat, ich meinen Schreibtisch mit Computer drunter und Boxen obendrauf – aber wir jeweils allein wären, finden wir uns lieber zusammen, machen beide unser Ding und gucken uns gelegentlich über den Rand unserer Devices an, reglos, sorgenvoll oder lächelnd oder auch nicht.

Perspektiven entwickeln

Hin und wieder entstehen Gespräche. „Und? Was ist heute so dein Plan?“ – „Och, weiß noch nicht. Nichts besonderes.“
Wenn es sein muss, planen wir, was es abends zu Essen geben soll. Immer wieder diskutieren wir darüber, was Corona in unserem Leben anrichtet. Genauer gesagt die Maßnahmen der Regierung(en). Ich versuche mindestens einmal täglich sie zu ermutigen. Dass der Lockdown irgendwann vorbei sein und das Leben sich wieder normalisieren wird.

Die Perspektive ist für junge Menschen, die das Abi hinter sich und eine weitere Ausbildung vor sich haben, gelinde gesagt schwierig. Beratungsgespräche zur Wahl eines Studiums sind unter Lockdown-Bedingungen (online oder telefonisch) noch mühsamer als ohnehin schon. Ihr großer Traum war seit Jahren nach dem Abi erst einmal auf große Reise zu gehen. Südostasien, Neuseeland, Südamerika. Corona hatte schon das Abi selbst versaut, alles drum herum und danach erst recht.

Meinen Rat die großen Ziele einfach erstmal ruhen zu lassen und mit kleineren näher liegenden anzufangen hat sie letzten Herbst gern aufgegriffen und ist durch Portugal, Spanien und auf die Kanaren gereist – exakt so abgepasst, dass sie vor der zweiten Welle in Spanien nach Hause zurück kam, wo sie eines Abends überraschend vor der Gartentür stand. Drei Monate ist sie unterwegs gewesen und hat tolle Sachen erlebt, Traumlandschaften gesehen und liebenswerte Menschen kennengelernt.

Seit ihrer Rückkehr ist der Wohnzimmertisch Planungszentrum für alle neuen Aktionen. Sie hat sich schnell und zielsicher einen Job bei Rewe besorgt, wo sie täglich ein paar Stunden Regale einräumt. Das gibt ihrem Tag ein wenig Struktur und bringt ein bisschen Geld ein.

Etwas Sinnvolles finden

Oft und aufwühlend haben wir beraten und gestritten, ob es nicht auch möglich sein müsste, sinnvolle Perspektiven für die nächste Zeit zu entwickeln. Nicht nur auf die nächste Reisemöglichkeit zu warten, sondern sich irgendwo zu engagieren, zu informieren wenigstens oder etwas auszuprobieren. Sie hat sich daraufhin nach Praktikumsmöglichkeiten umgeschaut, sich mit viel Aufwand beworben, aber letztlich nur Ablehnungen bekommen. Praktika können unter Lockdown-Bedingungen vielleicht auch nicht sinnvoll funktionieren.

Wie wäre es sich stattdessen irgendwo in der Welt für soziale oder ökologische Projekte zu engagieren? Haben Sie das schon einmal probiert? Tatsächlich ist das viel schwieriger, als man denkt. Zumindest ohne Ausbildung. Die meisten Angebote in dieser Richtung erwarten von den Volunteers, dass die jungen Leute selbst dafür zahlen, dass sie arbeiten dürfen. 2 Wochen arbeiten dürfen = 2000 €. Nicht Lohn, sondern Kosten. Abgesehen von der Frage, wer wohl so viel Idealismus (oder äh…?) aufbringt, frage ich mich, wer letztlich daran verdient.

Mir selbst hatte ich auch erträumt, reisen zu können: Städtetouren zu machen wenigstens, eigentlich aber auch erneut Expeditionen nach Vietnam, Cuba oder in die USA zu unternehmen. Stattdessen mache ich seit einem Jahr vor allem Spaziergänge. An guten Tagen bis zu 15 Kilometer. Der Hund wirkt oft schon ganz gestresst, weil ich schon wieder mit ihm raus will. Und ist stets aufs Neue froh, wenn ich wieder am Tisch sitze, in mein Tablet starre oder über dessen Rand blinzele, den Instagram-Feed durchwische oder die Tochter frage, welche Serie sie gerade binget.

Nachrichten und dann?

Nachrichten ertragen wir beide nicht mehr, vor allem nicht die schon viel zu lange ewig gleichen Wasserstandsmeldungen der tagesschau. Oder die mahnend erhobenen Zeigefinger von Virologen oder Regierungsfuzzis. Es geht nicht darum, dass wir coronamüde sind (wer ist das nicht!), sondern darum, dass die meiste „Berichterstattung“ sehr einseitig immer dieselben Zahlen präsentiert, die fast nie in Relation zu „normalen“ Krankheits- und Sterbezahlen gesetzt werden. Das Land, die Welt im permanenten Krisenmodus. Und es geht natürlich darum, dass den zuständigen Organen seit Monaten nichts Neues mehr einfällt und sie ihre ohnehin schon armseligen Pläne nicht umgesetzt bekommen, sondern sich in Skandale verwickeln. Das wäre für sich schon Thema für eine ganze Serie von Blog-Artikeln.

Abends glotzen wir neben Serien (düster, verstörend und mit anschwellender Spannung) gern die Satireshows, die offenbar in der Pandemie die Aufgabe seriöser Berichterstattung übernommen haben – und auf die letztlich dieselben Kriterien wie auf die Serien zutreffen. Insbesondere der eigentlich ewig gestrige Sender ZDF hat da ein paar Formate entwickelt, von denen sich Tagesschau und Konsorten mal ne ordentliche Scheibe abschneiden sollten. Was wären wir ohne die Anstalt, heute-show oder ZDF-Magazin Royal?!

Spätestens am späten Vormittag des folgenden Tages sitzen wir dann wieder am Wohnzimmertisch.
So vergeht Tag um Tag und es ist uns längst klar, der Lockdown bleibt fürwahr immerdar.

Vorstadt-Abenteuer im Lockdown

Ich sitze am Fenster und starre – wie seit Monaten immer öfter – etwas dösig in den Garten. Alles wie immer. Naja fast. Letzte Woche haben da doch tatsächlich Gärtner die Hecke zum Nachbarn hin geschnitten. Gerade noch rechtzeitig Ende Februar. Danach ist das wegen Brutzeit der Vögel nicht mehr erlaubt. Zwei Männer mit schwerem Gerät haben da einige Stunden für Action und ordentlich Lärm gesorgt. Die Hecke ist jetzt richtig viel niedriger und schmaler. Bin mir immer noch nicht sicher, ob mir das gefällt.

Spannung mit Vögeln

Den Vögeln zuliebe habe ich in den Garten ein Vogelfuttersilo aufgehängt. An einem Metallstab. Darunter noch ein Wasserbecken aufgestellt. In meiner Freizeit kann ich nun beobachten, wie die Spatzen aus der Hecke da heran fliegen, sich ein Korn picken und wieder zurück flattern. Andere lauern schon in der Hecke, um es ihnen gleich zu tun. Sowohl vom Wohnzimmer als auch von der Küche aus habe ich ideale Beobachtungspositionen.

Von einem Busch auf der gegenüberliegenden Seite des Gartens kommt jetzt im Wellenflug eine Kohlmeise, eine halbe Stunde später vom Dach im unteren Stichweg eine Taube, im Verlauf des Nachmittag aus der Tanne eine Elster und noch eine weitere war auch plötzlich da. Letzten Dienstag aber – mein Herz blieb echt einen Moment stehen, sitzt da plötzlich ein Star. Auf dem Rand des Futtersilos! Reglos scheinbar. Sitzt da einfach und scheint zu überlegen, ob diese Körner wohl schmecken, wie sie ihm bekommen und – dann fliegt er einfach wieder weg. Ohne nur probiert zu haben!

Weiter atmen, denke ich. Dachte ich. So schnell immer vorbei diese Momente. Dann passiert wieder stunden- nein tagelang – nichts. Der Stress hält sich in engen Grenzen. Man calmt ganz gut down.

Nachtleben

Neulich aber wache ich nachts von lautem Klopfen auf. Irgendwo draußen. Richtung erstmal undefinierbar. Sofort denke ich an Einbrecher in einem Nachbarhaus. Da wird ja bestimmt Frau M gleich zur Stelle sein um nach dem Rechten zu sehen, hoffe ich, noch gar nicht richtig wach. Es klopft weiter, ich richte mich auf im Bett und überlege, ob ich aus dem Fenster gucken sollte. Da plötzlich: aufgeregte Stimmen dazu. Die von Frau M meine ich deutlich heraus zu hören. Dieser unverwechselbare Tonfall! Ich muss jetzt aufstehen. Atemlos robbe ich ans Fenster. Halb hockend halb kniend drücke ich die Nase an die Scheibe, lasse den Blick schweifen. Es ist aber nichts zu erkennen. Einfach zu dunkel da draußen. Keine Bewegung. Und nun auch wieder Stille. Kein Blaulicht, keine Schüsse. Zu blöd!
Als nach einer Viertelstunde noch immer nichts zu hören oder sehen ist und mich das Kribbeln meiner eingeschlafenen Beine kirre macht, quäle ich mich in die Senkrechte, hüpfe solange, bis die Beine wieder wach sind, und steige zurück ins Bett. Wenn ich jetzt nur einschlafen könnte. Also ich, nicht die Beine! Aber denkste. Die Aufregung hält mich wach, bis der erste Lichtschimmer am Horizont graut.
Nur gut, dass meine wichtigste Verpflichtung für den folgenden Tag der Hundespaziergang am Nachmittag ist. Bis dahin bin ich soweit wieder auf dem Damm.

Ermittlungstätigkeit

Tage später muss ich ein Gespräch über die Hecke mit anhören. Nachbarin M zu Nachbarin P. Es klärt, dass in der fraglichen Nacht ein Marder offenbar die Kaninchen von Familie T lecker fand und sich mit ihnen zum Essen verabreden wollte. Die Kaninchen klopften vor lauter Aufregung mit ihren Füßchen auf den Käfigboden. Das war, wovon ich wach geworden war. Und die Nachbarinnen auch. Frau M war es dank ihrer Stimmgewalt gelungen den Marder in die Flucht zu schlagen. Nachträgliches Aufatmen. Allerseits gewissermaßen.

Während ich diese Informationen noch verarbeite (doch etwas viel auf einmal!), schießt unser Hund aus dem Wohnzimmer hinaus über die Treppe in den Garten runter und rast zum Zaun, wo gerade die possierlichen reinweißen Schoßhunde von Frau M angekommen sind und wild und in höchster Tonlage unseren Zaun und unseren Hund ankläffen. Eine Aufregung! Wenn jetzt der Zaun nicht wäre!

Zum Glück ist er aber da. Und auch die dichte Hecke. Man gut so.

Auf Beobachtungsposten

Ich brauche dringend etwas Ruhe. So viel ist hier schon lange nicht mehr passiert. Aus der Küche hole ich mir eine Tasse Salbeitee und erklimme damit das obere Stockwerk unseres Häuschens, wo ich mich ans dortige Fenster setze und zur anderen Seite rausgucke. Der Tee ist etwas zu heiß, so dass ich mir die Zunge leicht verbrenne. Leise fluche ich vor mich hin. Ich blicke in die umliegenden Gärten und konstatiere, dass sich dort nichts geändert hat. Alles wie immer. Das beruhigt mich allmählich.

Glauben Sie nur nicht, dass diese Ruhe angehalten hätte! Schon zwei Wochen später hat sich doch tatsächlich die ganze Familie T plötzlich auf ihrem Balkon eingefunden. In der lausigen Kälte! Stehen da am Geländer und machen – wer weiß was! Ich kann es nicht genau erkennen. Das haben sie jedenfalls noch nie gemacht. Ohne ersichtlichen Grund sind die da, wie es aussieht. Ich bin ganz aus dem Häuschen, hole schnell meinen Feldstecher aus dem Nachtschrank und unterziehe dieses Ereignis einer peniblen Untersuchung. Damit bin ich noch nicht ganz fertig, als sich das Geschehen auch schon wieder in Wohlgefallen auflöst. Die Ts sind im Haus verschwunden, der Balkon vakant. War es vielleicht doch nur eine Erscheinung?

Das Leben in unserem Stadtteil ist ja generell eher reizend, insofern nicht direkt Allergiker-geeignet. Trotzdem kann es schon passieren, dass bei sieben Spaziergängen mit dem Hund binnen drei Tagen einfach nichts passiert, was sich der eignen Wahrnehmung aufdrängen würde. Dienstags stehen schon mal gelbe Säcke an den Laternenpfählen, aber das ist dann auch schon das Highlight der Woche.

Der neueste Scheiß

Umso erstaunter und neugieriger werde ich, wie ich bemerke, dass der Audi von Fs einen Montag plötzlich entgegen der Fahrtrichtung geparkt ist! Ich glaube wohl! Und nicht nur das: der Opel von Zs zeigte ihm die kalte Schnauze – direkt von vorn. Das kann ja wohl nicht wahr sein!

Von dieser Ungeheuerlichkeit aufgestachelt, wage ich mich tiefer in den Garagenhof daneben, um festzustellen, dass vom Tor von Garage 73 ein neues Stückchen eierschalenfarbener Lack abgeplatzt ist und einer hübschen rostigen Delle zu mehr Aufmerksamkeit verhilft. Wie schön! denke ich unwillkürlich. Schnell die Kamera gezückt und ein feines Fotto für Instagram gemacht! OMG! This made my day. 😍

Dass die jüngere Tochter von Familie C jetzt auch einen Hund hat, der auf den Namen Early hört, ist dagegen ja schon fast nur Dorftratsch. Aber insofern doch wieder erwähnenswert, als mir Earlylein mitsamt Frauchen auf meinen einsamen Abendrunden nun schon einige Male begegnet ist – und wir dann ein Stück gemeinsamen Weges hatten. Was irgendwie nett ist.

Ach ja.

Corpora delicti

Diese Graffiti zieren seit einiger Zeit (seit Monaten?!) eine ansonsten unscheinbare, um nicht zu sagen häßliche Betonwand an der Rückseite eines Parkplatzes mitten in Göttingen.
Hätte nicht das GT darüber berichtet, sie wären mir nie aufgefallen, weil man sie von der Straße aus nicht sieht. Da aber der Staatsschutz (!) hier ermittelt, erschienen nun schon mehrere Artikel im Lokalblatt zu diesem Vergehen im öffentlichen Raum.

Die Graffiti beziehen politisch Stellung zu Flüchtlingslagern, zu Sexismus und zu systematischer Gewalt.
Die Frage, ob das Kunst sei oder wegkönne, ist inzwischen so abgedroschen, dass sie schon peinlich rüberkommt, insbesondere angesichts solcher herausragenden Arbeiten, die alles andere als banal sind, deren Statements man aber eben auch nicht mit einem Achselzucken abtun kann. Womöglich nötigen sie der Betrachter*in den einen oder anderen Gedanken ab.
Aus meiner Sicht handelt es sich ganz klar um eine Aufforderung: Denk mal!

[Edit am 18.02.21]
Das Göttinger Tageblatt titelt (Verlinkung nur als Beleg – ohne Abo ist der Artikel leider nicht abrufbar), dass der OB seine Anzeige wegen Sachbeschädigung nicht zurückziehen wolle. Denn der Satz „Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Farbanschlag“ sei möglicherweise ein Aufruf zur Gewalt.

Es sind solche Reaktionen und Verhaltensmuster, die in mir stets neu die Frage hochkommen lassen, ob Göttingen wirklich meine Stadt ist.

Am Ende einer Winterwoche

Eine gute Woche allerschönsten Winterwetters ist vorbei. Selten, möglicherweise nie zuvor habe ich Schnee und beißende Kälte so ausgiebig genossen wie in diesen Tagen. Dabei bin ich weder Schlitten noch Ski gefahren, sondern einfach nur mit offenen Augen durch‘s Dorf und über‘s Feld spaziert, jeden Tag gut 10 km.

Lauftagebuch

Liebes Tageblog, heute bin ich zum ersten Mal in diesem Jahr wieder gelaufen. Endlich! Trotz der langen Pause ging es ziemlich gut gar nicht mal so schlecht. 5 km mit nur 1 Gehpause und das in 32:30. Da war ich zufrieden mit.
Getraut habe ich mich ausgerechnet heute, weil es weder regnete, noch schneite, noch glatt war – und auch nicht stürmte.
Alles Ausreden, die ich früher nie hätte gelten lassen. Aber seit mein Knie begonnen hat Zicken zu machen bzw. mir das Laufen irgendwie übelzunehmen, indem es einfach mal wehtut, nehme ich auch gern Ausreden, die eigentlich, naja – Sie wissen schon.

Vor allem aber hatte ich heute Termin beim Orthopäden. Und ehe ich da nun hingekommen wäre mit „eigentlich habe ich ja Knie, nur heute gerade nicht – tja, Vorführeffekt, mh blöd, aber wie gesagt: sonst tut es immer weh…“ – deswegen dachte ich, laufe ich mal lieber, dann wird es schon.

Es wurde auch. Der Orthopäde war zufrieden, attestierte meiner Beinmuskulatur „hohes Niveau“ (ich wuchs unmittelbar mindestens 3 Zentimeter!) und empfahl mir eine Eigenblutbehandlung. Die aber eigentlich jetzt nicht nötig sei, weil ja eigentlich nichts schlimmes ist: Altersentsprechende Abnutzungserscheinung, eher weniger, als meinem Alter entsprechen würde. Dazu verständnisvolle Blicke, die keinesfalls meinten, ich solle mich mal nicht so anstellen.

Also wird es jetzt wieder deutlich schwieriger werden, Ausreden zu finden.

Corona-Tagebuch

Vielleicht klingt das völlig verrückt, doch statt mich so viel mit coronösen Dingen auseinanderzusetzen, wie uns die Nachrichten offenbar gern nötigen würden, verdränge ich lieber soviel davon wie möglich. Verdrängen heißt nicht Leugnen. Nur: mich nicht kirre machen lassen. Auch als Radfahrer begebe ich mich täglich in Lebensgefahr. Überhaupt im Straßenverkehr. Auch im Leben selbst.
Aber – ich will gar nicht tiefer in diese bodenlose Thematik.

Nur soviel: unsere Situation perpetuiert sich. Der scheinbar ewige Lockdown lässt das Gefühl für Zeit verloren gehen. Ich weiß das Datum nicht mehr. Nur noch manchmal den Wochentag. Mein Sohn, der seit Wochen bei uns wohnt, weil er an seinem Studienorte vereinsamt, ist nur noch melancholisch drauf. Meine Tochter, die vom großen Reisen nach dem Abitur (2020) geträumt hat, noch mehr. Wir Eltern werden immer stiller. Wir alle kommunizieren immer weniger, weil es auch immer weniger zu sagen gibt. Oder weil es irgendwie immer mehr schmerzt.
Die Verdrängung führt zu Verspannungen: Schultern, Kreuz, Knie. Chronisch. Der Besuch bei der Physiotherapeutin ist schon zu lange das Highlight der Woche.
Trockene Augen vom fast ununterbrochenen Starren auf Displays. Abends immer wieder Versuche, uns zu dritt oder viert auf einen Film oder eine Serie zu einigen, die wir alle irgendwie mögen könnten. Um etwas gemeinsam zu erleben. Während des TV-Konsums in kurzen Abständen auf dem kleinen persönlichen Display checken, ob es bei Instagram neue Likes gibt oder auf dem Messenger etwas, worauf man antworten kann / muss / darf.

Und dabei gehts uns ja gut. Ich darf echt nicht klagen.
Nur ein bisschen konstatieren und dabei lamentieren (ist das dann konsternieren?) muss gerade mal sein.

Was mir indes noch echt wichtig ist: wir haben alle dieses Problem. Worldwide. Ganz sicher in sehr unterschiedlicher Ausprägung und mit extrem unterschiedlichen Begleitumständen. Gerade deswegen sind mehr denn je Mitmenschlichkeit und Solidarität mit allen, denen es schlechter geht, eine ziemlich gute Idee.