Prometheus – oder die Warum-Frage

Vor 33 Jahren sah ich Alien zum ersten Mal, im Stern-Kino damals. Ein Erlebnis, an das ich mich noch heute erinnere, vor allem, weil der Film damals die meisten meiner Erwartungen nicht erfüllte, die meisten im positiven Sinne. Er war gegen die Sehgewohnheiten, er war unglaublich spannend, die Story knapp und auf den Punkt gebracht, die Technik perfekt, ohne überfrachtet zu wirken – und alles wirkte beklemmend echt.

Gestern im Cinemaxx also Prometheus, sozusagen Alien 5 oder auch -1, je nachdem ob die behauptete zeitliche Reihenfolge eine Rolle spielt.
Der Film ist ein visueller und akustischer Hammer. Echte Naturaufnahmen aus Schottland (und Island?) werden kunstvoll mit virtuellen Szenerien kombiniert, der Sound vor allem reichhaltiger Donner. Man könnte auch sagen: viel Wumms.
Inhaltlich schließt der Film tatsächlich, zumindest chronologisch, fast nahtlos an Alien 1 an, rückwärts gesehen. Die große Warum-Frage allerdings, die Prometheus gleich zu Beginn sehr hoch hängt, wird nicht nur nicht beantwortet, sondern eher vervielfältigt. Damit meine ich gar nicht die Frage, warum Ridley Scott sich hat hinreißen lassen, ein Prequel zum eigenen Meisterwerk zu produzieren. Vielmehr: warum bringt der Film zum fünften Mal dieselben Versatzstücke, jetzt sogar fast wörtliche Zitate aus Teil 1, lediglich mit modernisierter Technik, dafür umso inhaltsbefreiter? Warum verhalten sich die Figuren größtenteils so unlogisch, um nicht zu sagen: völlig bescheuert?! Die beiden Loser, die als erste dran glauben müssen (was einem schon nach wenigen Minuten klar wird), haben es einfach nicht besser verdient.
Warum nehmen an der Raumfahrt-Mission so viele Leute teil, die offenbar gar keine Funktion haben, insbesondere Charlize Theron? Außer dem Abbild der kalten blonden Göttin ist ihre Rolle bedeutungslos, bläht nur den Film auf.
Warum muß der alte Mann aufs lächerlichste als alter Mann geschminkt werden? Man hätte doch auch einen tatsächlich alten Schauspieler nehmen können?
Warum ist ausgerechnet der Androide die einzige Figur, die einen komplexen Charakter zu haben scheint? Warum tut er, was er tut? Wessen Wille steuert ihn? Und warum muß das alles so angestrengt nebulös bleiben? Ist das Diabolische seines Narzißmus Absicht oder nur ein Effekt unter vielen?

Die eigentliche Frage, die der Film zur Message stilisieren möchte, warum diese humanoiden Wesen, die angeblich die Menschheit konstruiert haben, später die Alien-Ursuppe als biologische Waffe konstruiert haben, mit der sie die Menschheit wieder auslöschen wollten, wendet der Film dann mehr gegen diese Wesen selbst, als daß dem Zuschauer irgendetwas erhellt oder gar erklärt wird. Irgendwann ist einfach alles nur noch Rohstoff für neue Ungeheuer, die alles, was man sich in Alpträumen eklig und grausig vorstellen mag, hervorbringen und in irrsinigem Tempo die Teilnehmer der Mission dezimieren – bis auf die eine Frau: Noomi Rapace, die eher die Nachfolge von Winona Ryder aus Alien 4 antritt als die Sigourney Weavers. Zu schön ist sie und zu harmlos.
Weniger wäre mehr gewesen: weniger Personal, weniger Zitate bereits zu abgelutschter Szenen, weniger Alien-Suppe, weniger Ungeheuer, weniger bombastische Technik, weniger pseudo-existentialistisches Brimborium.
Dafür vielleicht eine stringentere Story. Ein Warum beantworten, statt vierzehn neue aufzutischen.

Das Ende läßt genug Raum für Prometheus 2 oder vielleicht auch ein weiteres Prequel für vor dem Prequel.
Der Kern der Story scheint, trotz allen sattsam gefledderten Elementen, noch immer interessant, faszinierend – man möchte diese bösen, perfekten Wesen studieren und ihrem Ursprung auf den Grund gehen…

Aber ich für mein Teil möchte unter den gegebenen Umständen nicht mehr ins Kino.
Im Cinemaxx war 20 Uhr als Beginn der Vorführung angegeben, der Film startete etwa um 20:50 Uhr. In der Zwischenzeit wurde der Zuschauer mit extrem lautem Schwachsinn bombardiert. Wenn es ja nur Werbung gewesen wäre! Aber es war auch noch zu wenigstens einem Drittel eine völlig sinnbefreite „Show“ mit angeblich echten, unangenehm debil wirkenden „Zuschauern“, denen sinnbefreite Fragen gestellt wurden. Dazu all die Reklame für explosive Spiele, Prozessoren und Handys. Und ein paar Trailer zu Filmen, die sich vermutlich auch auf Youtube niemand freiwillig anguckt. Das eigentliche Grauen lauert heute nicht mehr im Weltraum (wie 1979), sondern vor dem Film im Kino.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Fassbrause

    Zu dem konkreten Film kann ich nichts sagen, ich habe ihn nicht gesehen. Ich beobachte nur allgemein, daß Hollywood etwas ideen- und mutlos geworden ist. Statt neuem eine Chance zu geben und etwas zu riskieren, werden alte Erfolgsfilme aufgewärmt oder neu verfilmt. Frei nach dem Motto, was einmal Kasse gemacht hat, wird schon nochmal funktionieren. – Siehe der Neuaufguss von Spiderman dies Jahr, obwohl die letzte Verfilmung gerade mal 5 Jahre zurückliegt; dann die Batman-Reihe; David Finchers Version von Verblendung, jetzt Alien5/Prometheus. Geldschneiderei, darum geht es.

    1. grapf

      Ja, Herr Fassbrause, natürlich will und muß die Filmindustrie Geld verdienen. Aber ein Ridley Scott wird doch hoffentlich nicht am Hungertuch nagen und sich mit dem Covern eigener Werke über Wasser zu halten versuchen? Den Eindruck macht Prometheus auf mich nicht, sondern eher den des schiefgegangenen Versuchs, dem eigenen Werk noch etwas mehr Sinn und Bedeutung zu implantieren.
      Und mit dem Drumrum, namentlich der Darbietung im Kino, hat er ja nicht direkt was zu tun. Das liegt an der dramatischen Veränderung der deutschen Kinolandschaft.

  2. Krischan

    Ich gehe nur noch ins Kino, wenn ich so neugierig bin, dass ich nicht warten mag, bis der Film im Verleih oder Verkauf verfügbar ist. Die große Leinwand und der Ton wiegen die ganzen Unannehmlichkeiten im letzten verbliebenen Kino in Göttingen kaum noch auf: das blendende Notlicht und Treppenbeleuchtung, die nervenden Sitznachbarn, die allgemeine Kunden- und Angestelltenfeindlichkeit. Zum Glück war meine Erwartungshaltung von vorneherein gering, so dass ich über die Ungereimtheiten hinwegsehen und mich einfach den Bildern hingeben konnte. Ist es eigentlich wirklich so, dass mehr Filmideen recycled werden, oder haben wir nur inzwischen so viel gesehen, dass wir es merken, wenn etwas wiederholt wird?

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