Noch etwas schönes für Sie?

Beinahe nichtsahnend betrete ich eine typische Göttinger Bäckerei-Filiale. Die neue Verkäuferin strahlt mich erwartungsfroh an und fragt mich, ehe ich richtig Luft holen kann: „Was kann ich Ihnen denn schönes geben?“.
Unmittelbar nachdem ich ihr mitgeteilt habe, welche Brotsorte ich gern hätte, frag sie mich: „Was darf es denn sonst noch schönes für Sie sein?“
Als ich abwinke und ihr stattdessen 3 Euro auf den Tresen lege, fragt sie, ob ich nicht etwas Kleingeld für sie hätte. Ich stehe völlig auf der Leitung, gucke noch mal auf das Schild unter dem Brot (da steht 2,95 Euro) und stammele, das seien doch 3 Euro. Noch passender hätte ich es nicht.
Nein, erwidert sie: „Haben Sie vielleicht noch einfach so etwas Kleingeld für mich? 45 Cent oder so?“
Verwirrt durchwühle ich mein Portemonnaie und kann nur meinem Bedauern Ausdruck verleihen.
Sie aber nimmt trotzdem ganz begeistert mein Geld, läßt es in der Kassenschublade verschwinden und reicht mir ein blitzendes 5-Cent-Stück zurück. „Kein Problem!“ sagt sie.
„Dann wünsch ich Ihnen noch einen wunderschönen Tag!“ flötet sie kurz darauf und strahlt. –
„Danke, das wünsche ich Ihnen auch“ erwidere ich unbeholfen und stolpere hinaus ins Freie.

In der gar nicht mal so billigen Billig-Papeterieketten-Filiale kaufe ich später zwei Schulhefte für meine Tochter. Dort weiß ich, was mich erwartet, wenn ich an der Kasse der jungen, streng frisierten und jedesmal erschreckend geschäftstüchtigen Kassiererin (oder Filialleiterin?) gegenüber stehe. Sehr freundlich, sehr schnell und mit geschickten Bewegungen hat sie ein Heft gescannt und mit flinkem Tastenschlag der Registrierkasse verklickert, daß ich da 2 von will – und ich frage mich schon, was sie mir wohl diesmal dazu anbieten wird. Ich habe mich noch nicht zuende gefragt, da schießt es auch schon aus ihr hervor: „Dürfen es noch 2 Schutzhüllen für die Hefte für Sie sein?“
Obwohl ich dankend verneine, bekomme ich auch dort verbindlich noch einen wunderschönen Tag gewünscht.

Wer sind die Marketingstrategen, die meinen, solches Verhalten würde die Beziehung zwischen Kunden und Verkäufern verbessern oder das Einkaufserlebnis für mich verschönern oder mich sonst irgendwie anreizen, mehr Geld jeweils dort, wo mir so viel schönes gegeben werden soll, zu lassen? Für mich bleibt immer nur der Eindruck, daß da eine Entwicklung ganz fatal in die falsche Richtung läuft.

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare

  1. Sigurd

    Das habe ich mich auch schon öfters gefragt, und es nervt wirklich und mit der Zeit immer mehr! Würg! Diese verordnete Freundlichkeit, die nur nach dem Geldbeutel schielt. In Düsseldorf haben sich das sogar schon die Obdachlosenzeitungs-Verkäufer angewöhnt. Es ist furchtbar… Have a nice day. ;-)

    1. grapf

      Wo du das erwähnst, es gibt hier auch ein paar Bettler, die einem trotz abgeschlagener Bitte nach etwas Kleingeld einen schönen Tag wünschen. Aber daß die auch Marketing-Seminare besucht haben? Vielleicht müßte man ausprobieren, was passiert, wenn man ihnen etwas Kleingeld gibt. Ob sie dann auch fragen, ob man ihnen nicht noch ein Portemonnaie dazu gibt…?

      Verordnete Freundlichkeit – verschärfte Freundlichkeit – Freundlichkeit als Waffe…

      Reichlich Gründe, nur noch schlecht gelaunt und griesgrämig durch die Stadt zu laufen. ;-)

  2. tobyyy

    Hm, die Frage „Darfs noch etwas sein?“ kenne ich bisher nur aus Bäckereien. Dass jetzt auch in Papierläden so eine Frage kommt…
    Mehr nervt mich allerdings, dass ich beim Betreten einer Bäckerei überhaupt keine Chance bekomme, die Auslagen zu betrachten. Ich weiß doch noch gar nicht, was da liegt, und trotzdem werde ich nach meinen Wünschen gefragt. Dann habe ich immer das Gefühl mich dafür entschuldigen zu müssen, dass ich noch 30 Sekunden brauche, bis ich alle Leckereien gescannt und mich für etwas entschieden habe.

    Das mit dem schönen Tag wünschen, ist auch so eine Sache. Das „Danke, gleichfalls!“ bereitet einem durchaus mal ein schlechtes Gewissen, wenn man weiß, dass man jetzt frei hat ;-(

    1. grapf

      Die Härte in den Papierläden ist nicht nur, daß da so eine Frage kommt, sondern wie gezielt sie gestellt wird. Die Verkaufsdamen müssen da immer mindestens 120% Präsenz drauf haben für.
      Angesichts der eher negativen Wirkung ein fragwürdiges Konzept.

      Daß man keine Zeit mehr zugestanden kriegt, sich etwas auszusuchen, macht mich auch ganz huschig und gelegentlich unmittelbar sauer. Was aber nix nützt: das Verkaufspersonal ist da meistens völlig empfindungslos.
      Und deshalb fehlt mir auch jeder Anflug von schlechtem Gewissen.

      1. p.m.

        Das Verkaufspersonal ist nicht etwa überwiegend empfindungslos, sondern detailliert unter massivem Druck dorthingetrimmt. Mit anonymen Testkäufen von Prüfern inclusive, bei Nichtbeachtung auch von arbeitsrechtlichen Konsequenzen bedroht. Immerhin werden dann ja aus Sicht des Arbeitsgebers klar definierte Vorgaben mißachtet. Und als sei dem noch nicht genug müssen sie noch so tun, als sei es ihre Natur, Sie so zu „umsorgen“ und den Unmut, der bei Ihnen erzeugt wird, mit einem aufgesetzten Lächeln und den bewährten Abschiedsfloskeln überspielen. Diese Ketten, und es sind überwiegend Ketten, sparen die Kosten für das Überwachen dann bei den Löhnen wieder ein.
        Demütigend für beide Seiten des albernen Spiels, aber offensichtlich noch hinreichend lukrativ für die Initiatoren.

        1. grapf

          Und wer sind die Initiatoren? Wer entwickelt solche Programme? Und warum machen kleine lokale Ketten wie die genannte Göttinger Bäckerei so etwas mit? Da werden doch eigentlich existierende Kundenbeziehungen verprellt. Sicher in viel höherem Maße als neue Kunden angelockt.

  3. ollie

    hi!

    obwohl dies leider ein nofollowblog ist meine dann nur kurze anmerkung:

    das ding nennt sich crosselling oder mehrverkaufsangebot und ist geplant und durchstrukturiert und wird bei fillialen auch durch testkäufer geprüft… wir sind opfer der marketing *gg*

    würden uns über einen gegebesuch freuen, bei uns bekommst du auch einen richtigen link.

    viele grüße
    ollie

    1. grapf

      Danke für den OT-Hinweis auf das „nofollow“. Ist mir entgangen, daß sich das mit wp 2.7 schon wieder eingeschlichen hat. Und ist leider nicht ganz einfach es wieder rauszuschmeißen.
      Aber mit dem Plugin DoFollow geht’s.

      Ansonsten mag ich keine Kommentare, die nur aus Self-Marketing-Gründen gemacht werden. Was soll das?

  4. Krischan

    In diesem Riesen-Supermarkt in der Altstadt wird man an der Kasse auch immer gefragt, ob es einem gefallen hat. Das geht dann z.B. so: „war alles in Ordnung?“. Das erste Mal war ich bei dieser Frage so perplex, dass ich dachte, ich hätte wohl versehentlich non-verbal Kritik geäussert und meinte „nein – nein – ich hab nichts, alles in Ordnung“. Wer mit Karte bezahlt, wird auch mit Namen angesprochen: „War alles in Ordnung Herr Grapf?“

    Da denke ich dann: „Bis zu dieser zu verordneten Pseudo-Nähe gerade ja“ und sage „Danke alles bestens“. Die Leute können ja nichts dafür. Auch nicht für diese lächerliche Tafel am Eingang auf der alle Angestellten unterschrieben haben, dass das Wohl ihrer Kunden ihnen unglaublich am Herzen liegt.

    Und versuch mal bei der Systemfrittenbude im Bahnhof etwas zu Essen zu kaufen. Bitte XY. Mit Bacon? Mit Käse? Maxi? Ein Nachtisch dazu? Die Cola in gross? NEIN! Einfach nur das was ich schon gesagt habe. Danke.

    1. grapf

      Der Riesensupermarkt in der Altstadt gibt sich ja überhaupt Mühe seine Kunden spüren zu lassen, unter welchem Druck die Angestellten dort stehen. Ich betrete diese Riesenhalle nur in Notfällen und nie ohne mulmiges Gefühl.
      Den Systemfrittenbuden ziehe ich kleine Imbisse vor, von Döner über Falaffel bis zu Halloumi.
      Nach deiner Schilderung habe ich einen gewichtigen Grund mehr, diese Lokalitäten weiträumig zu umgehen.

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