Bahn ohne Hof

Kann man sich die Eisenbahn ohne Bahnhöfe vorstellen? Eigentlich nicht so richtig. Tatsächlich aber gibt es schon jetzt eigentlich nur noch eine Handvoll Großkonsumpaläste mit Bahnanschluß in den Großstädten und eine große Zahl kleiner Haltestellen mit bestenfalls überdachten Bahnsteigen auf dem Land. Dort sind die Bahnhofsgebäude meistens seit Jahren geschlossen, stillgelegt, einige wenige verkauft und anderen Zwecken zugeführt.
Diese Entwicklung will die DBAG fortsetzen. Bahnhöfe will sie nur behalten, sofern sie rentabel sind. Da haben Empfangsgebäude ohne Einkaufszentrum und natürlich vor allem ohne Bahnpersonal, das zum Beispiel in der Lage wäre, mal eine Fahrkarte zu verkaufen, keine Chance. Im Gegenzug ist es natürlich so, daß derart verwaiste Bahnimmobilien für manche Leute willkommene Gelegenheit sind, ihrem Mißmut mal so richtig freien Lauf zu lassen und sie zu besprayen oder einfach kaputt zu machen. Wenn es nicht sogar der elende Zustand an sich ist, der die Leute so sauer macht, daß sie dem noch einen draufsetzen.
Hinzu kommt natürlich noch, daß einsame Bahnhöfe auch für wartende Reisende zunehmend gefährlich sind, weil sie betrunkenen, rechtsradikalen oder anderen randalierenden oder pöbelnden Leuten weitgehend schutzlos ausgeliefert sind. Es gibt nicht nur keine Aufsicht, sondern meist auch kaum andere Reisende, weil kaum noch jemand von solchen Haltestellen aus abfahren möchte.
Eine unaufhaltsame Abwärtsspirale: keine Bahnhöfe -> weniger Reisende -> nicht ausgelastete Züge -> Streckenstilllegung -> noch weniger Bahnhöfe -> und immer so weiter.
Man halte sich daneben einmal die Prestigeobjekte der DBAG vor Augen, nur mal allein den neuen Berliner Hauptbahnhof, für den 1 Milliarde Euro in den märkischen Sand gesetzt wurde.
Für den Klimaschutz und wenigstens den Ansatz einer Entwicklung, die in Richtung Nachhaltigkeit geht, halte ich ein funktionierendes Bahnsystem für eine Grundvoraussetzung. Ein Bahnsystem aber braucht Bahnhöfe, die einen zum Bahnreisen passenden Service bieten: man muß Fahrkarten kaufen können und Reiseverpflegung, man braucht einen wirkungsvollen Wetterschutz und sollte sich auch sonst sicher fühlen.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Sigurd

    Das Bahnsystem in seiner heutigen Form stammt zum Großteil noch aus dem 19. Jahrhundert. Der Zug verkörperte damals den technischen Fortschritt, es gab noch keine gummibereifte oder fliegende Konkurrenz, nur die langsame Postkutsche. Die Bahnhöfe waren die Visitenkarten ihrer Städte, man war stolz auf sie, und auch in der Architektur herrschte eine andere Vorstellung von Schönheit und des sich harmonischen Einfügens in die Umgebung als heutzutage. Menschliches Personal war unverzichtbar, schließlich war der Automat noch gar nicht erfunden, und auch der kaiserliche Staat brauchte Beamte, um seine Untertanen zu beaufsichtigen. Heute, im 21. Jahrhundert, formen der Stand der Technik und der (wirtschafts)liberale Zeitgeist andere Vorstellungen von dem, was ein Bahnhof zu sein habe: eben ein Einkaufszentrum mit Gleisanschluß oder zumindest kostenminimierter Haltepunkt. Ist schon irgendwie ein Abstieg, da können auch die flotten ICE-Züge nicht drüber hinwegtäuschen.

  2. toby

    Passt leider zu weiteren Berichten: Das gt schreibt heute über das Verkommenlassen des Schienennetzes und die taz berichtet über ein Filmprojekt, dass sich selbst finanieren muss:
    http://bahn-unterm-hammer.de/

  3. CeKaDo

    Auch ich beobachte inzwischen mit Mißmut das Verkommen der kleineren bahnhöfe. Schwelm und Ennepetal sind gute Beispiele dafür, wie Bahnhöfe mangels Aufsicht und Belebung kaputtrandaliert werden.

    Was mich wundert, ist die tatsache, daß noch niemand auf die Anwendung der ehrenamtlichen Schiene gekommen ist. Bürger, die Bahnhöfe als Paten beleben. Flohmärkte, Reinigung und Ordnungsdienste …..

    Wo doch sonst so gern mal ein deutsches Ehrenamt eingeführt wird. Die Bahn drückt sich da wohl noch ein wenig.

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