Hier geht es um das eigentliche, das eingemachte.
Das unbedingt zu schützende Gut ist nicht das Gesetz, sondern das Wohl der Menschen, deren Zusammenleben durch das Gesetz geregelt wird. Zum Wohl der Menschen und zur Wahrung ihrer Würde gehört unteilbar das Recht auf Privatleben, auf die Freiheit der Person und damit der Gedanken und Gefühle jedes einzelnen.
Diese Freiheit setzt der Bundesinnenminister fahrlässig aufs Spiel, wenn er die Privatsphäre der heimischen Festplatte kurzerhand abschaffen will. Die Argumente, daß man „die Kommunikationstechnik des Internet nicht den Terroristen überlassen“ dürfe, ist nicht mehr wert als jede billige Stammtischparole. Worthülsen wie „Freifahrschein für Kriminelle“ oder „wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“ zeigen klar auf, wo der Weg hingehen soll.
Deutschland hat eine ruhmreiche Tradition, was die Ausspionierung des eigenen Volkes, ja der eigenen Nachbarn anbelangt. In diese Tradition reiht sich der Ruf nach dem Bundestrojaner ebenso nahtlos ein wie die immer wieder auflodernden Versuche, „Folter light“ gesellschaftsfähig zu machen, wenn es denn die besondere Dringlichkeit der Situation verlange.
Dabei wird immer wieder außer Acht gelassen, daß die Erlaubnis zur Verletzung der Privatsphäre oder die Erlaubnis zur zeitweisen Aberkennung der Menschenwürde eine grundsätzliche Außerkraftsetzung von Verfassungsrechten bedeutet, die damit grundsätzliche und weitreichende Folgen hat.
Es wird auch nicht bedacht, daß sich Ermessensspielräume verschieben. Ermessensspielräume, die von dem Zeitpunkt an eine Rolle spielen, ab dem ein Grundrecht teilweise außer Kraft gesetzt wird. Für die Onlinedurchsuchung von Computern soll die gesetzliche Grundlage geschaffen werden, fordern BKA-Leute, Polizeigewerkschaftler und Datensammler aller Art. Natürlich fordern die das, denn denen macht es die Arbeit leichter. Deren Aufgabe ist es allerdings auch ganz ausdrücklich nicht, die Freiheit unbescholtener Bürger zu garantieren, sondern Verdächtige und Verdachtsmomente in den Griff zu kriegen. Diese Leute sind laut unserer Gewaltenteilung nicht die Legislative, die für die Schaffung von Gesetzen zuständig sind, sondern sie sind die Exekutive, die für die Einhaltung der Gesetze das Nötige zu tun haben. Auch der Bundesinnenminister hat sich und seines Gesetzesvorgaben gefälligst an den Maximen der Verfassung unseres Landes zu orientieren.
Natürlich muß immer wieder eine Abwägung stattfinden, wenn es darum geht, die Freiheit einzelner Menschen vorübergehend einzuschränken, um die Sicherheit vieler Menschen gewährleisten zu können. Aber gerade bei dieser Abwägung ist es allervordringlichst, daß die Verhältnismäßigkeit der Mittel im Blick bleibt. Der elfte September hat diesen Blick sehr sehr nachhaltig getrübt. Die Tatsache, daß schon an diesem Tag viele Stimmen unkten, die Welt würde fortan eine andere sein, trägt zur Erhellung auch im Nachhinein nicht wirklich viel bei. Umso wichtiger sich hier und heute Klarheit zu verschaffen, offen auszusprechen, worum es geht, was auf dem Spiel steht und was wir nicht einfach aus fauler Schludrigkeit mit uns machen lassen können.
Die Gedanken sind frei.
Die Gedankenpolizei steht aber schon vor der Tür und scharrt mit den Füßen.
Es ist Zeit, wirkungsvoll dagegen vorzugehen.
Weiterführendes zum Thema:
taz-Interview mit dem Innenminister
Heise-Artikel
Telepolis-Artikel
Gedanken eines Sysadmins
Der Bundestrojaner