IC nach Berlin
Mit einem Intercity, der nur aus unrenovierten Interregio-Abteilen besteht und einen direkt in die frühen Achtziger Jahre zurückkatapultiert, der nach Göttingen erst wieder in Wolfsburg hält, aber über Hannover fährt, wo er jedoch nicht den Hauptbahnhof berührt, sondern in großer Kurve von Waldheim direkt nach Kleefeld und Tiergarten abbiegt, wo er auf altertümlich ratternden Gleisen bis Lehrte ein gutes Stück neben der eigentlichen Strecke zunächst sehr betulich gen Osten zuckelt.
Der Zug ist voll, was die Enge der alten Abteile, die sogar noch Klappsitze im Gang bieten, unterstreicht. Am offenen Fenster wehen Reste eines Vorhangs, der Schaffner scheint einem Kuriositätenkabinett entsprungen, wenn auch gänzlich humorbefreit. War sie nicht so, die deutsche Bundesbahn, der man heimlich nachweint?
In der Hauptstadt wird der Zeitreise-Turbo eingelegt: über Jungfernheide geht es auf die frischen Gleise im Nordring und im Wedding durch die gerade neu eröffnete Kurve in den neuen Nord-Süd-Tunnel. Ankunft in Hauptbahnhof „tief“.
Gigantisch. Da. Alles. Zwei Wochen vor der Eröffnung hatte ich mir das ja alles schon von oben angeguckt. Jetzt unten auszusteigen ist allerdings ein paar Tacken härter. Der schlichte Wahnsinn, nach oben zu blicken und da kurz vorm Himmelszelt S-Bahnen entlang rauschen zu sehen. Eher surreal erscheint das hier, ein Gefühl wie weiland im Sony-Center am Potsdamer Platz. Staunen, eine ganze Zeitlang, wohlmeinend durchaus – dennoch nach wenigen Momenten wieder die Frage, wo hier der Sinn liegt? Warum für viele hundert Millionen Euro so ein Bahndenkmal in den Sand gesetzt wird, das eigentlich niemand braucht.
Angesichts des architektonischen Aberwitzes ist natürlich die charmante Zeitreise im IC schnell in den Hintergrund gerückt. Ein Grund mehr, sie hier festzuhalten.