20 Jahre Tschernobyl

Dieser plötzliche Wind abends, Ostwind ausgerechnet. Dazu diese Wärme, die uns sehr unnatürlich vorkam. Wie wir uns beim abendlichen Spaziergang gruselten und versuchten, uns vor dem Wind zu schützen.
Dieser lähmende Schreck, als die Tagesschau berichtete, daß das Weidevieh nicht raus dürfe bzw. in den Stall zurück müsse.
Die tagelang unklare Nachrichtenlage. Wilde Gerüchte, wo welche Wolke gerade entlang ziehe. Rätselraten, ob der Regen gefährlich sei oder nicht.
Es ballte sich zu einem intensiven Weltuntergangsgefühl. Nicht erst, als endlich Bilder kamen vom havarierten Reaktor. Die Phantasie, die auf dieses Unglück offenbar bestens vorbereitet war, malte gar zu bunte Horrorszenarien.

Als ich im Arte-Themenabend letztes Wochenende die Bilder von den Liquidatoren sah, diesen bedauernswerten Menschen, die da am eigenen Leibe ausbaden mußten, was Atomindustrie und Sowjetpolitik gemeinsam verbrochen hatten, wurde mir auch deutlich, wieviel ich selbst verdrängt habe. Von diesen grausigen Ereignissen vor 20 Jahren und von der nach wie vor vollkommen aktuellen Bedrohung jetzt.
Allein, es nützt ja auch nichts, sich die Gefahr ständig vor Augen zu halten. Es nützt genauso wenig wie die Proteste der Anti-Atom-Bewegung oder das sogenannte Atomausstiegsprogramm der letzten Regierung.
Ich weiß noch, wie wir damals begannen Apfelbäumchen pflanzen zu wollen – im brav lutherschen Sinne. Mittlerweile haben wir einige gepflanzt und ich finde das nach wie vor sinnvoll.

In seinem Konsumblog fragt Ralph Segert übrigens nach Erinnerungen an die Zeit vor 20 Jahren…

Hier gibt es eine an die Nieren gehende Photoserie von Robert Knoth über nukleare Albträume.

Wikipedia über die Katastrophe von Tschernobyl.

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Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. hildi

    Mir kamen die Ergeignisse schon bei den letzten Gesprächen über den Atom-Nicht-Ausstieg wieder ins Gedächtnis zurück. Annette und ich haben heute früh überlegt, ob wir dann als Rentner-Kaffee-Fahrt lieber nach Tschernobyl wollen oder ich dann lieber olle S/W-Fotos von Schiffwracks oder Industrieruinen mache. Aber sicher gibts bis dahin überall ganz viele tolle Ruinen zu fotografieren.

    Ob Deutschland nun aussteigt oder nicht – andere steigen gerade ein. Und spätestens seit Tschernobyl weiß jeder, wieviel es bringt, wenn es im Nachbarland passiert. Aber sollte man deshalb alles so lassen, wie es ist? Nach dem Motto: Hat ja alles sowieso keinen Zweck?

  2. grapf

    Alles so zu lassen, sich von der Verdummungspolitik einlullen zu lassen, nein, das kann ganz sicher nicht der richtige Weg sein.
    Ich meinte, es hat keinen Sinn, sich die Realität ständig so vor Augen zu führen, daß sie einen nur niederdrückt und die Dinge so unausweichlich erscheinen läßt, daß sinnvolles Handeln nicht mehr möglich ist.
    Das Pflanzen von Apfelbäumen meine ich sowohl wörtlich als auch übertragen: mit gutem, sinnvollem und lebendigem Beispiel vorangehen. Einen Lebensstil vorleben, der klarmacht, daß es auch Lebensqualität und -sinn jenseits von höher – schneller – weiter gibt. Was nicht immer ganz einfach ist – aber immer lohnend!

  3. Timo

    Ich stimme grapf zu. Nur weil andere es falsch machen ist das noch lange keine Begründung, es ebenso falsch zu machen.
    Ich finde es sehr positiv, dass der Atomausstieg beschlossen wurde. Zwar müssen wir immer noch einige Jahre mit der Gefahr vor der eigenen Haustür leben, aber besser als nichts.

    Auch wenn ich selbst in manchen Bereich ein viel zu wenig ausgeprägtes Umweltbewusstsein habe (Autofahrer!), so bin ich mir dessen bewusst, dass es falsch ist. Aber man tendiert als Mensch der westlichen Welt dazu, faul zu sein in solchen Dingen.
    Aber Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung. Ich habe auch in meinem Leben einige Bäume gepflanzt (als Jugendlicher in einer regelmässigen, von der Gemeinde initiierten „wir forsten unseren Wald auf“-Aktion und im Garten meiner Grosseltern). Und ich esse (fast) kein Fleisch, nicht nur, weil ich zu fett bin, sondern auch, weil es tausend Gründe gibt, diese Industrie nicht zu unterstützen.

    Fazit: Es gut zu machen hilft immer, auch wenn der Effekt als einzelner aufs Ganze gerechnet nicht viel ausmacht. Aber vielleicht gibt es ja noch eine zweite, dritte oder tausendste Person, die ebenso denkt. Und dann bringt es schon wieder was.

  4. Peter Roskothen

    Immerhin glaubt Ihr alle an den Atomausstieg. Der wird immer wieder verschoben werden, weil kein Geld für die Stillegung der Reaktoren da ist. Und die vermeintlich billige Art Strom zu erzeugen liegt nur daran, dass die Kosten für die Lagernung von den Steuergeldern gezahlt wird und die Atomkraft insgesamt subventioniert wird. Von den Kosten eines Unfalles ganz abgesehen. Interessant dass deutsche Betreiber eine Haftungsgrenze von 700 Mio. Euro haben? Amerika sieht 9.1 Millarden für den Betreiber vor. Atomkraft ist eine der teuersten Energien. Und seit Tschernobyl wirklich unermesslich belastend.

  5. Timo

    Das Problem des Atomausstiegs ist leider, dass er so langfristig angelegt ist, dass jede beliebige Nachfolgeregierung den Plan absägen kann.
    Aber man darf ja noch hoffen.

  6. grapf

    Peter, der Atomausstieg ist ja eigentlich keine Glaubensfrage, sondern schlichtweg eine Kohlefrage. Und solange die Atomlobby schmieren kann und will, wird es bestimmt keinen wirklichen Ausstieg geben.
    Glauben hieße da vielleicht, an das Gute im Menschen zu glauben. Was mir in diesem Zusammenhang nach Tschernobyl nicht wirklich leichter fällt.
    Timo, diese ewig lange Ausstiegsfrist macht es ja auch völlig unmöglich, den Überblick zu behalten oder im Ernst nachzuvollziehen, was da eigentlich getan wird und was gezielt unterlassen wird.
    Aber man muß hoffen, ja, was bliebe auch sonst.

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