Erntedankmarkt

Dreimal in dieser Woche bin ich morgens im Trocknen losgelaufen, dreimal fing es bald an zu regnen und dreimal kam ich dann klitschnaß wieder zuhause an. So auch heute. Eigenartigerweise habe ich trotzdem noch nicht das Gefühl abgehärtet zu sein. Denn später auf dem Weg in die Stadt, en vélo, ist es mir trotz Regenhose und Regenjacke so unangenehm wie eh und je, diese Nässe, von oben, von unten, überall.
Auf dem Markt ist es nicht nur rammelvoll, trotz Regen, wegen Erntedankfest, sondern heute verschärft durch Horden von Regenschirmmördern: diese besonders rücksichtsvolle Sorte Zeitgenossen, die ihre Zweimeterfünfzigschirme auch unter den Markisen der Marktstände nicht einklappen oder nur wenigstens auf sie achten, sondern die mit bewundernswert stoischer Lässigkeit den anderen drumrum abverlangen, auf ihren Schirm aufzupassen, sprich, ihn nicht ins Auge zu kriegen oder nicht von den herunterströmenden Wassermassen ertränkt zu werden. Schließlich ist es ja auch das Problem der Umstehenden, nicht das der Schirmträger.
Die MarktbeschickerInnen begegnen mir freundlich wie immer oder – nein: den Umständen entsprechend noch viel freundlicher als sonst. Denn sie bekommen zu meiner finstren Miene auch noch unsägliche musikalische Unterstützung aus dem Parkhaus Hospitalstraße. Dort hat jemand eine Riesendiscosoundanlage errichtet und beglückt den hinteren Marktteil mit Original-Autoscooterhits aus den frühen Siebzigern. Tschörpi tschörpi tschiep tschiep zum Beispiel und irgendwas mit tiger. Alles von Bata Illic bis Cindy und Camembert. Nur Dieter Thomas Heck kann ich nirgends entdecken. Aber ich stelle beunruhigt fest, daß ich das alles mitsingen könnte, daß in diesen Klängen ein guter Teil verdängter Kindheitserinnerungen steckt, den ich in diesem Moment nicht zu verarbeiten bereit bin.
Deshalb sofortiger Rückzug: im mittlerweile strömenden Regen ab nach hause. Und nun sitze ich hier, dampfend quasi und muß das mal schnell alles loswerden.

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. kerstin13

    gegen den herbst, der so plötzlich kam, fühle ich mich auch noch nicht abgehärtet. aber mittlerweile ist er willkommen:) in hh sind viele ostfriesennerzträger unterwegs, also grössere überlebenschancen;)

  2. Liz

    Na, Herr Grapf, haben Sie sich denn dann wenigstens auch mal in das dampfend warme Wasser einer Badewanne zurück gezogen? Hinterher fühlt man (und auch frau) sich so wohl, dass das vorherige eklige Gefühl wegen klatschnasser Kleidung, total vergessen ist!

    Einen schönen Sonntag wünscht
    Miss Liz

  3. Marina

    Gut zu lesen, dass es mir nicht alleine so erging: auf dem Weg zum Bahnhof hat es mich gestern auch kräftig erwischt, so dass ich am Frankfurter Flughafen noch immer nasse Klamotten hatte. Dachte schon, dass sei ein schlechtes Ohmen – aber die Herbst Erklärung ist etwas beruhigender.

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