Zeit für Unschärfe

Seit über einem Jahr knipse ich nur noch digital, aktuell mit einer Powershot G6 von Canon. Die Kamera hat gegenüber einer DSLR ein paar unschlagbare Vorteile: sie ist klein und leicht, so dass man sie eigentlich immer dabei haben kann, das eingebaute Zoom (umgerechnet 35 bis 140mm) reicht für fast alle Anwendungsbereiche aus, die Lichtstärke (Anfangsblende 2,0 bis 3,0) ist super und die Bildqualität ist zumindest bei Tageslichtbildern rundum gut. Mit den technischen Schwächen (zB. Autofokus langsam und bei schwachem Licht praktisch unbrauchbar) kann man sich arrangieren.

Aber ich knipse nicht nur zu reinen Doku-Zwecken (Aufzucht von Kindern und Kaninchen, Veränderungen in der Stadt, diese Dinge), sondern möchte hin und wieder auch mal Bilder mit etwas mehr feeling machen. Deswegen plane ich seit etwa anderthalb Jahren eigentlich die Anschaffung einer digitalen Spiegelreflexkamera (DLSR). Letztes Jahr hatte ich Nikons D70 schon mal bestellt. Dann war sie nicht lieferbar. Während der Wartezeit las ich dummerweise ein paar zu viele Testberichte. Da bestellte ich sie wieder ab. Dann wollte ich mir Canons 10D gönnen, die war mir dann aber einfach zu teuer, zumal man ja nicht nur die Kamera braucht, sondern auch wenigstens ein, zwei Objektive.
Von einer DSLR verspreche ich mir in erster Linie eine wesentlich schnellere Reaktionszeit zB bei Kinderbildern (wg schnellem Autofokus und schnellen Serienbildern), viieel bessere Nachtbilder (weniger Rauschen, bessere Abbildungsqualität allgemein) und vor allem: mehr Gestaltungsmöglichkeiten durch Unschärfe aufgrund längerer Brennweiten.
Denn, wie ich bei meinen eigenen älteren Bildern (mit analoger SLR gemacht) und bei aktuellen Bildern zahlreicher „KollegInnen“ immer wieder sehe: die unscharfen Bestandteile von Bildern sind es, die Atmosphäre, Stimmung und Gefühl rüberbringen.
Die bis in die letzte Ecke scharfe Abbildung des Vorfindlichen hat soviel Charme wie eine Photokopie, letztlich.

Aber eine DSLR ist trotz Preisverfall noch immer richtig teuer. Außerdem stellte ich vor ein paar Tagen erstaunt fest, dass ich im Keller eine komplette SLR-Ausrüstung habe mit allem, was man so braucht: 2 Bodies, lichtstarke Festbrennweiten von 24 bis 200mm, sogar ein funktionstüchtiger Blitz ist vorhanden! Nur eben alles analog. Das heißt, zwischen dem Betätigen des Auslösers und dem Betrachten und weiteren Bearbeiten des Bildes liegt so richtig viel Zeit. Zeit, die man bei regelmäßigem Gebrauch der Digiknipse nicht mehr ertragen zu können meint.
Zeit, die man so als Weblogger und vor allem Photoblogger nicht erübrigen zu dürfen meint, weil man doch alle Bilderzeugnisse immer am besten sofort online stellen muss.

An diesem Rad werde ich jetzt mal versuchen zu drehen.
Mir Zeit nehmen für unscharfe Bilder und – wie früher auch schon jahrelang – hybrid arbeiten: mit der Digiknipse jederzeit schnell was festhalten, mit der analogen SLR in Ruhe schöne Bilder gestalten.

Drücken Sie mir gern die Daumen, dass ich die nötige Geduld wieder lerne!

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare

  1. Liz

    Beim Lesen bekam ich ein richtig schlechtes Gewissen. Meine Nikon (SLR) staubt so langsam ein :-( Ich sollte mich entscheiden: sie entweder mit allem Zubehör verkaufen oder sie wieder nutzen. Für’s Verkaufen spräche, dass ich dann Geld für eine DSLR hätte …

  2. grapf

    Oh *aufhorch* – was für eine Nikon mit was für Zubehör hast du denn?

  3. melle

    Verkaufen lohnt nicht wirklich, schau mal was analoges derzeit bei Ebay bringt :-/ Warum nicht die guten Festbrennweiten an einer DSLR betreiben? So schlecht ist die D70 btw. nicht und sogar im Kit-Objektiv gegenüber letztem Jahr um 500 Euro gefallen. Wenn Du noch einen Analogen Body mit ’nem Diafilm dabei hast, ist wohl jedes Motiv zu meistern ;-)

    Das größte Problem bei analog ist für mich das Scannen der Bilder. Ein Diascanner ist zu teuer und das Scannen der Abzüge mit meiner A4-Gurke bringt nur mittelmäßige Ergebnisse :-(

  4. Thomas Hildmann

    Hmm… nach meinen Berechnungen ist Diascanner + preiswerte SLR noch preiswerter, als eine DSLR. Die Berechnung stammte jedoch aus vorletztem Jahr. Mittlerweile mag das etwas anders sein.

    Mein Konto verbietet einfach zur Zeit eine DSLR (wie ich auch auf meinem Blog gerade heute geschrieben habe).

    @melle: Je nachdem, wieviel Filmrollen bei Dir pro Woche am Sucher vorbei ziehen, könnte auch der Scan vom Fotoladen eine Alternative sein. Mein Scanner hat sich schon gelohnt.

    @grapf: Was eine „preiswerte“ DSLR angeht, so bin ich immer wieder von der Qualität von Timos Kamera 350D begeistert. Allerdings ändert das nix am Objektivproblem.

    @all: Ich habe ja auch mal selbst direkte Vergleiche mit analogen und digitalen Equipment gemacht. Es sind verschiedene Aspekte, die alle die Stimmung von Bildern ausmachen, in denen sich die beiden Medien unterscheiden. Die Schräfe einer DSLR kann ich mit dem Scanner niemals hinbekommen. Aber gerade Übergänge von scharfen auf unscharfe Objekte insb. wenn sie sehr direkt sind, wirken total anders. Grain läßt sich natürlich auch naträglich einfügen. Aber warum, wenn man ihn schon vorab bekommen kann.

    Und nun das Killerargument :-)

    Habt ihr wirklich das gleiche Gefühl, wenn ihr den Speicherchip aus der Digicam holt, wie beim Hochhalten von so einem Bogen mit frischen Dias?

    @grapf: Wenn Du Zuspruch brauchst beim Gedulden, stehe ich Dir Tag und Nacht als Seelsorge zur Verfügung.

  5. Thomas Hildmann

    Korrektur:

    Bei mir ziehen die Filmrollen natürlich auch nicht am Sucher vorbei. Die sind, um um genau zu sein unter dem Sucher. Ich meine natürlich sowas, wie Verschluß oder Objektiv. Wobei mich das jetzt in Diskussionen bringt, um die es hier genau wirklich gar nicht ging. Also ignoriert das bitte einfach!

  6. grapf

    @Thomas: genau auf so’n Zuspruch (zum Gedulden) hab ich gehofft!

    Danke.

  7. Liz

    Ich habe die F100 mit einem Tamron 28-200, 1:3.8-5.8

  8. grapf

    Die F100, ach ja. Das war jahrelang meine Traumkamera. Konnte, naja und wollte ich mir nie leisten. Zumal ich denn auch für Nikon-Objektive nicht das nötige Kleingeld gehabt hätte.
    Aber zu träumen hab ich mir gestattet.
    Vielleicht darf ich sie ja mal irgendwann anfassen? ;-)

    Ach so – verkaufen würde ich die nie und nimmer. Stattdessen guck doch mal, ob du dir nicht ein paar gute Festbrennweiten an Land ziehst dazu, so ein 1,4 50mm zB, ganz tolle Sache das. Das rockt noch mal ganz anders als so ein Universalzoom.

  9. hildi

    In die Kerbe möchte ich doch auch noch mal schlagen. Zooms sind ja ganz nett. Aber Festobjektive sind nicht nur lichtempfindlicher und meist schärfer, sondern geben auch eine Perspektive vor, was bei der Bildgestaltung einiges vereinfacht. Ich benutze für ca. 80% meiner Fotos ein 50mm f1.8.

  10. Liz

    Das Bier steht ja noch aus *g*, da kann ich sie gerne mitbringen und du kannst sie die ganze Zeit halten und berühren ;-)

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