Alle loben Köhler

Dafür, dass er Tacheles redet, so explosive Einsichten wie diese endlich öffentlich macht:

Unsere Zukunft und die unserer Kinder steht auf dem Spiel.

und

Die bestehende föderale Ordnung ist überholt.

Das ist ja schließlich auch höchste Zeit.
Wenn Föderalismus in Deutschland nur noch heißt, dass der Streit um die Rechtschreibreform im Pingpongsystem zwischen den Ländern auf dem Rücken der pisagebeutelten Schulkinder ausgetragen wird, vor allem aber dass die in den Ländern vereinte Rechte durch gezielte Blockade Reformversuche auf Bundesebene vereitelt – dann ist wohl tatsächlich zu hinterfragen, ob diese selbstherrlichen Landesfürsten da nicht übers Ziel hinausschießen und am Ast sägen, auf dem sie sitzen.
Nun aber als Bundespräsident einfach so in den Raum zu werfen, die bestehende Ordnung sei überholt, kann man ja beinahe schon verfassungsfeindlich nennen. Das kann er doch so nicht gemeint haben.

Mich wurmt aber viel mehr, dass diese ganze leidige Affaire immer mehr Ähnlichkeit mit der sogenannten Wende von 1982/83 bekommt. Zwar war es damals die rechte Opposition, die aktiv dem Kanzler das Misstrauen erklärt hat, der Vorgang als solcher war aber weitgehend ähnlich: einer jahrelang andauernden Blockierung der Bundesregierung folgte schließlich ihre parlamentarische Entmachtung, die man sich im Anschluss durch Neuwahlen legitimieren ließ .
Pikant und gleichzeitig ekelhaft fade heute, dass der Kanzler (im vorauseilenden Gehorsam?) dies gleich selbst besorgt hat. Arm, sehr arm diese Form der politischen Selbstentsorgung.
Und mehr als gruselig die Vorstellung, es könnte schon wieder eine 16 Jahre währende Nacht anstehen.

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Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. nickelartist

    Lachnummer!
    Noch nie war die politische Theaterspielerei so offensichtlich…

    „Es ist richtig, dass in der heutigen Situation der demokratische Souverän – das Volk – über die künftige Politik unseres Landes entscheiden kann. Die Parteien fordere ich auf, den Bürgerinnen und Bürgern ihre Vorstellungen über die Lösung der Probleme sachlich und wahrhaftig zu vermitteln. Ich bin ganz sicher: Wir haben die Begabung und die Fähigkeit, unsere Freiheit zu sichern und einen modernen Sozialstaat zu gestalten.“

    Blablabla… wie oft haben wir das schon gehört?!

    „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, jetzt haben Sie es in der Hand. Schauen Sie bitte genau hin. Demokratie heißt, die Wahl zu haben zwischen politischen Alternativen. Machen Sie von Ihrem Wahlrecht sorgsam Gebrauch.“

    Aha, und wo bitte schön liegen die politischen Alternativen? Ich sehe keine…

    Hier geht es ganz sicher nicht um das Wohl des Volkes, sondern einzig um das Wohl des Kapitals.

  2. Timo

    Wie ich auf meinem Blog bereits ausgeführt habe, bin ich für Neuwahlen, vor allem deswegen, weil „das Volk“ das möchte und eigentlich noch viel mehr deswegen, weil ich es _sehen_ will, ob mit einer Mehrheit in Bundestag und Bundestag wirklich was besseres zustande kommen wird. Ich möchte die Ausrede nicht mehr hören „wir können nichts bewegen, weil wir im Bundesrat blockiert werden“. Ja, was wollt ihr denn bewegen? Ihr könnt Euch doch nicht einmal koalitionsintern auf etwas einigen, was über einen faulen Kompromiss hinausgeht.

    Neinnein, lasst die CDU ruhig mal ran, dann wird man erkennen können, dass es einfach egal ist, ob es im Bundesrat andere Mehrheiten gibt als im Bundestag.

    Ich frage mich übrigens, in was für einem Land wir leben, wo das Volk „aus Protest“ die CDU wählt…

  3. nickelartist

    Und ich wundere mich noch mehr darüber, dass die 16 Jahre Kohl-Ära schon wieder vergessen ist…

    Und damals dachte man schon immer: „Schlimmer kann es nicht werden! Kohl muss weg!“
    Jetzt sehen wir, wie schlimm es kommen kann… und es wird noch schlimmer kommen.

    Mit der CDU sehe ich erst recht schwarz. Ist sowieso alles der gleiche Brei.

    Unser Problem als Volk ist, dass wir keine wirklichen Alternativen mehr angeboten bekommen.
    Das ist der typische Weg des Kapitalismus, wo alles nur um Geld und Macht geht.

  4. grapf

    @Timo: Wenn „das Volk“ etwas will, dann dass es wieder bergauf geht, dass die Arbeitslosigkeit deutlich sinkt, weniger Betriebe ihre Produktion ins Ausland verlagern und vielleicht auch, dass Politiker meinen, was sie sagen, auch nach der Wahl noch.
    Dass ausgerechnet die CDU sich diesbezüglich profilieren könnte, halte ich für einen Witz.
    Die werden ihren üblichen „neoliberalen Kurs“ noch härter durchziehen als Schröder ohnehin schon und hier wird alles noch schneller den Bach runtergehen.
    Und wer wählt denn aus Protest die CDU?! *hintenrüberfall*

    @Sandra: der typische Weg des Kapitalismus, den wir doch eigentlich überwunden glaubten. Oder wie war das?
    Was aber nun? Wo bleiben, wohin gehen, wenn es keine Alternative gibt?

  5. Timo

    @grapf: Ich stimme absolut mit Dir überein, dass ich es stark bezweifle, dass es mit der CDU viel besser wird. Dass die Leute „aus Protest“ CDU wählen ist vor allem ebenfalls ein Treppenwitz, da ja nun die CDU bei bspw. Hartz IV, einer der Gründe, warum „das Volk“ die aktuelle Koalition nicht mehr will, deutlich erklärt hat, dass sie dort noch viel weiter gehen würde.

    Ebenfalls muss ich mich doch stark wundern, wie bereitwillig die CDU nun von ihr so verhasste Projekte wie die Ökosteuer beibehalten will.
    Das beweist doch mal wieder: Letztenendes gehts einfach nur um die macht.

    Deprimierenderweise muss man ja fast davon ausgehen, dass wenn die CDU dran ist, auf einmal vieles wieder besser werden wird. Natürlich nicht wegen der Politik der CDU sondern einfach nur, weil sich viele Unternehmer aus Prinzip bei einer CDU-Regierung besser fühlen. Und vielleicht, weil doch einige Reformen der SPD/Grünen Regierung vielleicht tatsächlich was gebracht haben.

    Noch was: Ich finde im Großen und Ganzen unsere aktuelle Regierung eigentlich ganz brauchbar… so im Vergleich…

  6. nickelartist

    @ grapf: Der Kapitalismus wurde nicht überwunden. Im Gegenteil. Er ist im Moment sogar sowas wie eine Religion geworden…
    Ja, und was nun? Wo bleiben? Wohin gehen?
    Das sind die großen Fragen, auf die im Moment wirklich niemand eine ehrliche und effektive Antwort hat.
    Ich weiß auch nicht, woran das mit den mangelnden Alternativen liegt…
    Aber unsere Politiker sind seit Jahren nur noch Handlanger der Industrie. Das ist alles ein weltweit gespanntes Marionettenspiel der Macht.
    Ich habe vor einigen Jahren mal die Rockefeller-Story gelesen… seitdem weiß ich, wie das wirklich läuft auf den Schauplätzen der Mächtigsten.
    Da geht es nicht um Menschen. Da geht es nur um die wirtschaftlichen Ziele, Geld und Macht.
    Alleine die ganze Globalisierungsgeschichte dient einzig und allein der Wirtschaft.
    Und der Euro ist immer noch ein Witz! Da wird ein einheitliches Zahlungsmittel geschaffen, obwohl es verschiedene Sprachen, verschiedene Löhne, verschiedene Gesetze usw… in den betroffenen Ländern gibt!! Das schreit doch geradezu nach einer Idee, die einzig und allein wirtschaftliche Interessen verfolgt.
    Zooropa.
    Dann noch die Verantwortungs-Frage… wer ist verantwortlich für den ganzen Mist? Sind nicht wir es, die das alles so blauäugig zulassen? Immer wieder gehen wir schön brav zu Wahl und machen unser Kreuzchen… ach, wie demokratisch! Ist doch absolut lachhaft!
    Um uns herum tobt es, wie es noch nie getobt hat. Ein ganzer Kontinent ist dabei, im Elend zu versinken… und die ganze Welt guckt zu. Aber wen interessiert im Moment schon Afrika… das wird erst interessant, wenn es woanders keine Ölreserven mehr gibt…
    Das ist schlimmer als Schöne neue Welt und 1984 zusammen.

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