Süd-Umgehung

Seit rund einer Generation ist eine sog. kommunale Entlastungsstraße südlich von Göttingen im Schwange. Wird immer mal wieder geplant, verworfen, vergessen, neu geplant.
Vor etwa 2 Jahren wurde das alte leidige Thema mal wieder aus der Mottenkiste hervorgekramt und wirbelt seitdem so viel Staub auf, daß man als potentiell betroffener Anwohner schon so manchen Hustenanfall hinter sich hat.
Bürgerinitiativen haben sich gebildet. Auf der einen Seite Straßenbau-Befürworter, die nichts besseres zu tun hatten als den gesamten Süden der Stadt mit gelben Schildern vollzupappen, auf denen ein „Ja zur Südumgehung“ angekreuzt ist. Als gebe es da eine Wahlmöglichkeit. Auf der anderen Seite Straßenbau-Gegner, die versuchen, mit sachlichen Argumenten Überzeugungsarbeit zu leisten, die umfangreiche Alternativen (nicht zum vorgesehenen Trassenverlauf, sondern zur Straße überhaupt) entwickelt haben – und die natürlich einfach recht haben.
Weil diese bescheuerte Südumgehung keins der Probleme lösen wird, dessentwegen sie gebaut werden soll.
Recht haben aber auch die Ja-Sager, weil die Verkehrssituation in den südlichen Einfallstraßen Göttingens nur als nacktes Grauen bezeichnet werden kann. Und das schon seit Jahrzehnten. Der Haken an der Sache der Ja-Sager ist nur, daß durch eine neue Straße keine wirkliche Entlastung stattfindet, sondern lediglich eine partielle Umverteilung. Der Leidensdruck indes ist offenbar so groß, daß jedes Mittel recht erscheint: Hauptsache, es passiert überhaupt mal was! Denn die Göttinger Politiker haben in der Vergangenheit vor allem eins prima verstanden: die Leute hinzuhalten, sie mit vagen Versprechungen zu vertrösten – um dann letztlich nichts zu tun.
Es ist jedoch niemandem gedient, in dieser arg bescheidenen Lage irgendwelchen blinden und letztlich sinnlosen Aktionismus zu entfalten. Die Gemüter sind erhitzt, die Politiker verwechseln Argumente mit Wunschdenken und glauben immer noch an das Wachstum.
Wachstum? In der Innenstadt macht ein Geschäft nach dem andern Pleite. Ein Filetgrundstück liegt seit Jahren brach, weil es niemand haben will. Draußen an der Autobahn, auf der grünen Wiese wird für ein neues Gewerbegebiet, den Kaufpark 2, die dort ohnehin nur noch sehr spärliche Landschaft planiert. Mitten in der Stadt wird ein ganzes Viertel für einen neuen Supermarkt plattgemacht (wer soll da eigentlich einkaufen?!).
Wie lange wird es wohl dauern, bis das auch alles Investitionsruinen sein werden?
Bis dahin werden wir aber allein schon durch all die Baumaßnahmen reichlich Verkehr erzeugt haben, der dann wieder den Bau neuer Straßen rechtfertigt, die wieder neuen Verkehr anziehen – und so weiter und so fort.
Ein Teufelskreis, der dazu führen wird, daß Göttingen irgendwann jegliche Attraktivität verlieren wird, weil es eigentlich nur noch ein einziger großer Parkplatz sein wird. Zugeparkt mit schrottigen Autos, deren Besitzer wegen Arbeitslosigkeit kein Geld für’s Benzin haben werden und sowieso nirgends hinfahren wollen, weil es überall gleich aussieht.
Die Luft wird schlechter denn je sein, weil es keine Bäume mehr gibt, die sie reinigen und für Sauerstoffzufuhr sorgen könnten. Da sei schon mal der Fachbereich Stadtgrün vor.

Alles Themen, die in diesem Blog schon weidlich durchgekaut worden sind. Immer wieder neu, immer wieder schlecht. Und trotzdem muß es einfach mal wieder gesagt werden: so ist das doch einfach alles Mist!

Nötig, ja dringend angesagt wäre mal ein Konzept für die ganze Stadt, das den Handel in der Innenstadt tatsächlich fördert, statt ihm durch Kaufparks am Stadtrand tödliche Konkurrenz zu bereiten. Nötig wäre ein Verkehrskonzept, das für eine nachhaltige Verkehrsberuhigung, vorzugsweise durch Vermeidung sinnloser Wege, sorgt. Nötig wäre ein öffentliches Nahverkehrssystem, das schon durch seine Attraktivität geeignet ist, Verkehrsteilnehmer aus dem Auto in den Bus oder die Bahn zu locken.
Und besonders nötig wäre es mal, etwas für die nachwachsende Generation zu tun: Kindergärten und Schulen zu fördern, stressfreie Beförderung von Kindern in Bussen zu ermöglichen, Radwege so auszubauen, daß man sie auch gemeinsam mit Kindern befahren kann – um nur mal ein paar wenige der allernötigsten Dinge zu nennen. Aber da ist kein Geld für da. Alle Kassen leer. Schreckliche Ebbe.

Welch ein besonderer Zynismus, in solcher Situation die Zerstörung des letzten größeren zusammenhängenden Stücks freier Landschaft am Göttinger Stadtrand zu betreiben – ohne Sinn und Verstand!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. martina

    Ich stimme dir im grossen und ganzen zu. Die gelben Schilder nerven mich ebenfalls. ;-) Eine Umgehung mitten durch ein Naherholungsgebiet zu bauen, da muss man sich zwangsläufig an den Kopf fassen – auch wenn ich jeden Morgen erstaunt über das Verkehrschaos auf der Kiesseestrasse / Reinhäuser Landstrasse bin – und froh, in den Bus in die andere Richtung steigen, oder mich aufs Fahrrad Richtung Kleingärten schwingen kann. ;-)
    Die Innenstadt könnte auch etwas mehr Belebung, mehr Grün und weniger Autos gebrauchen.
    Aber trotzdem sehe ich es nicht ganz so düster. Die Ecke hier im Süden finde ich z.B. schon eine ganz schöne Gegend. :-)

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